Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
irgendeinen Schul- oder andern Dienst zu suchen, hätte mich eine Partei ertappt, ausgezogen und in den Rhein geworfen, welcher mich auf gegenwärtigen Baum geführt. Und nachdem ich diese meine Lügen wohl füttern konnte, zumalen auch mit Schwüren bekräftigte, wurde mir geglaubt und mit Speis und Trank alles Gute erwiesen, mich wieder zu erquicken, wie ichs denn trefflich vonnöten hatte.
Beim Zoll zu Straßburg stiegen die meisten ans Land, und ich mit ihnen, da ich mich denn gegen dieselben hoch bedankte und unter andern eines jungen Kaufherrn gewahr wurde, dessen Angesicht, Gang und Gebärden mir zu erkennen gaben, daß ich ihn zuvor mehr gesehen, konnte mich aber nicht besinnen, wo? vernahm aber an der Sprach, daß es eben derjenige Kornett war, so mich hiebevor gefangen bekommen, ich wußte aber nicht zu ersinnen, wie er aus einem so braven jungen Soldaten zu einem Kaufmann worden, vornehmlich weil er ein geborner Kavalier war: die Begierde zu wissen, ob mich meine Augen und Ohren betrügen oder nicht, trieben mich dahin, daß ich zu ihm ging, und sagte: »Monsieur Schönstein, ist Er's oder ist Er's nicht?« Er aber antwort: »Ich bin keiner von Schönstein, sondern ein Kaufmann«; da sagte ich: »So bin ich auch kein Jäger von Soest nit, sondern ein Organist oder vielmehr ein landläufiger Bettler!« »O Bruder«, sagt' hingegen jener, »was Teufels machst du, wo ziehest du herum?« Ich sagte: »Bruder, wenn du vom Himmel versehen bist, mir das Leben erhalten zu helfen, wie nun zum zweitenmal geschehen ist, so erfordert ohn Zweifel mein Fatum, daß ich alsdann nit weit von dir sei.« Hierauf nahmen wir einander in die Arm, als zwei getreue Freund, die hiebevor beiderseits versprochen, einander bis in Tod zu lieben. Ich mußte bei ihm einkehren, und alles erzählen wie mir ergangen, seit ich von L. nach Köln verreist, meinen Schatz abzuholen, verschwieg ihm auch nit, wasgestalt ich mit einer Partei ihrem Schiff hätte aufpassen wollen und wie es uns drüber erging; aber wie ich zu Paris gehaust, davon schwieg ist stockstill, denn ich sorgte, er möchte es zu L. ausbringen und mir deswegen bei meinem Weib einen bösen Rauch machen. Hingegen vertraute er mir, daß er von der hessischen Generalität zu Herzog Bernhard, dem Fürsten von Weimar, geschickt worden, wegen allerhand Sachen von großer Importanz, das Kriegswesen betreffend, Relation zu tun und künftiger Kampagne und Anschläg halber zu konferieren, welches er nunmehr verrichtet und in Gestalt eines Kaufmanns, wie ich denn vor Augen sähe, auf der Zurückreis begriffen sei. Benebens erzählte er mir auch, daß meine Liebste bei seiner Abreis großen Leibs und neben ihren Eltern und Verwandten noch in gutem Wohlstand gewesen; item daß mir der Obrist das Fähnlein noch aufhalte, und vexierte mich daneben, weil mich die Urschlechten so verderbt hätten, daß mich weder mein Weib noch das andere Frauenzimmer zu L. für den Jäger mehr annehmen werde, etc. Demnach redten wir miteinander ab, daß ich bei ihm verbleiben und mit solcher Gelegenheit wieder nach L. kehren sollte, so ein erwünschte Sach für mich war. Und weil ich nichts als Lumpen an mir hatte, streckt' er mir etwas an Geld vor, damit ich mich wie ein Gadendiener montierte.
Man sagt aber, wenn ein Ding nit sein soll, so geschiehts nicht, das erfuhr ich auch, denn da wir den Rhein hinunterfuhren und das Schiff zu Rheinhausen visitiert wurde, erkannten mich die Philippsburger, welche mich wieder anpackten und nach Philippsburg führten, allda ich wieder wie zuvor einen Musketierer abgeben mußte, welches meinen guten Kornett ja so sehr verdroß als mich selbsten, weil wir uns wieder scheiden mußten, so durfte er sich auch meiner nicht hoch annehmen, denn er hatt' mit sich selbst zu tun sich durchzubringen.
Das 11. Kapitel
Warum die Geistlichen keine Hasen essen sollen, die mit Stricken gefangen worden
Also hat nun der günstige Leser vernommen, in was für einer Lebensgefahr ich gesteckt; betreffend aber die Gefahr meiner Seelen, ist zu wissen, daß ich unter meiner Muskete ein rechter wilder Mensch war, der sich um Gott und sein Wort nichts bekümmerte, keine Bosheit war mir zuviel, da waren alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen, allerdings vergessen, so bat ich auch weder um das Zeitlich noch Ewig, sondern lebte auf den alten Kaiser hinein wie ein Vieh. Niemand hätte mir glauben können, daß ich bei einem so frommen Einsiedel wäre erzogen worden; selten
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