Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
kam ich in die Kirch und gar nicht zur Beicht, und gleichwie mir meiner Seelen Heil nichts anlag, also betrübte ich meinen Nebenmenschen desto mehr: Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nit, ja ich wollte noch Ruhm davon haben; so daß schier keiner ohngeschimpft von mir kam, davon kriegte ich oft dichte Stöß und noch öfter den Esel zu reiten, ja man bedrohete mich mit Galgen und Wippe, aber es half alles nichts, ich trieb meine gottlose Weis fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich das desperat spielte und mit Fleiß der Höllen zurennete. Und ob ich gleich keine Übeltat beging, dadurch ich das Leben verwirkt hätte, so war ich jedoch so ruchlos, daß man (außer den Zauberern und Sodomiten) kaum einen wüstern Menschen antreffen mögen.
Dies nahm unser Regiments-Kaplan an mir in acht, und weil er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beicht und Kommunion eingestellt hätte? Ich traktierte ihn aber nach seinen vielen treuherzigen Erinnerungen wie hiebevor den Pfarrer zu L. Also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Und indem es schien, als ob Christus und Tauf an mir verloren wäre, sagte er zum Beschluß: »Ach du elender Mensch! ich habe vermeint, du irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du aus lauter Bosheit und gleichsam vorsetzlicher Weis zu sündigen fortfährest, ach wer vermeinst du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnis haben werde? Meinesteils protestiere ich vor Gott und der Welt, daß ich an deiner Verdammnis keine Schuld haben will, weil ich getan und noch ferner gern unverdrossen tun wollte, was zu Beförderung deiner Seligkeit vonnöten wäre. Es wird mir aber besorglich künftig mehrers zu tun nit obliegen, denn daß ich deinen Leib, wenn ihn deine arme Seel in solchem verdammten Stand verläßt, an kein geweiht Ort zu andern frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen bei die Cadavera des verreckten Viehs hinschleppen lasse oder an denjenigen Ort, da man andere Gottsvergessene und Verzweifelte hintut!«
Diese ernstliche Bedrohung fruchtete ebensowenig als die vorigen Ermahnungen, und zwar nur der Ursach halber, weil ich mich vorm Beichten schämte; O ich großer Narr! Ich erzählte oft meine Bubenstück bei ganzen Gesellschaften und log noch dazu, aber jetzt, da ich mich bekehren und einem einzigen Menschen, an Gottes Statt, meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu empfangen, war ich ein verstockter Stumm! Ich sage recht ›verstockt‹, blieb auch verstockt, denn ich antwortet: »Ich diene dem Kaiser für einen Soldaten, wenn ich nun auch sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, da ich gleich andern Soldaten (die nit allezeit auf das Geweihte begraben werden können, sondern irgends auf dem Feld, in Gräben oder in der Wölf und Raben Mägen vorlieb nehmen müssen) mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«
Also schied ich vom Geistlichen, der mit seinem heiligen Seeleneifer anders nichts um mich verdient, als daß ich ihm einsmals einen Hasen abschlug, den er inständig von mir begehrte, mit Vorwand, weil er sich selbst an einem Strick erhenkt und ums Leben gebracht, daß sich dannenhero nit gebühre, daß er als ein Verzweifelter in ein geweihtes Erdreich begraben werden sollte.
Das 12. Kapitel
Simplicius wird unverhofft von der Muskete erlöst
Also folgte bei mir keine Besserung, sondern ich wurde je länger je ärger, der Obrist sagte einsmals zu mir, er wollte mich, da ich kein gut tun wollte, mit einem Schelmen hinwegschicken; weil ich aber wohl wußte, daß es ihm nit Ernst war, sagte ich, dies könne leicht geschehen, wenn er mir nur den Steckenknecht mitgebe; also ließ er mich wiederum passiern, weil er sich wohl einbilden konnte, daß ichs für keine Straf, sondern für eine Wohltat halten würde, wenn er mich laufen ließe. Mußte demnach wider meines Herzen Willen ein Musketier bleiben, und Hunger leiden bis in den Sommer hinein. je mehr sich aber der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers näherte sich auch meine Erlösung: Denn als selbiger zu Bruchsal das Hauptquartier hatte, wurde mein Herzbruder, dem ich im Lager vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich geholfen, von der Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, da man ihm die höchste Ehr antat. Ich stund eben vor des Obristen Quartier Schildwacht, und ob er zwar
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