Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
schelmisch falsch Gemüt bekannt war, und ob ich ihm zwar im geringsten nichts Guts zutraute, so ging ich doch mit ihm in besagtes Häuslein, in welchem ein Baur eben die Stub einhitzte, dem sagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein«, sagt' der Baur, »ich hab ja den gebratenen Kalbsschlegel noch, den ich heute von Waldkirch brachte.« »Nun denn«, antwort Olivier, »so gehe und lang her was du hast, und bringe zugleich das Fäßlein Wein mit.«
Als der Baur fort war, sagte ich zu Olivier: »Bruder (ich nennt ihn so, damit ich desto sicherer vor ihm wäre), du hast einen willigen Wirt!« »Das dank«, sagte er, »dem Schelmen der Teufel, ich ernähr ihn ja mit Weib und Kind, und er macht noch dazu für sich selbst gute Beuten, ich lasse ihm alle Kleider, die ich erobere, solche zu seinem Nutzen anzuwenden.« Ich fragte, wo er denn sein Weib und Kind hätte? da sagte Olivier, daß er sie nach Freiburg geflehnt, die er alle Woch zweimal besuche und ihm von dort aus sowohl die Victualia als Kraut und Lot zubringe. Ferner berichtet' er mich, daß er diese Freibeuterei schon lang getrieben und ihm besser zuschlage, als wenn er einem Herrn diene, er gedächte auch nit aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte. Ich sagte: »Bruder, du lebest in einem gefährlichen Stand, und wenn du über solcher Rauberei ergriffen würdest, wie meinst du wohl, daß man mit dir umging?« »Ha«, sagte er, »ich höre wohl, daß du noch der alte Simplicius bist; ich weiß wohl, daß derjenige so kegeln will, auch aufsetzen muß; du mußt aber das wissen, daß die Herren von Nürnberg keinen henken lassen, sie haben ihn denn.« Ich antwortet: »Gesetzt aber Bruder, du werdest nicht ertappt, das doch sehr mißlich stehet, denn der Krug gehet so lang zum Brunnen, bis er einmal zerbricht, so ist dennoch ein solch Leben, wie du führest, das allerschändlichste von der Welt, daß ich also nit glaube, daß du darin zu sterben begehrest.« »Was«, sagte er, »das schändlichste? Mein tapferer Simplici, ich versichere dich, daß die Räuberei das alleradeligste Exercitium ist, das man dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sag mir, wie viel Königreich und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt erraubt und zuwegen gebracht worden? Oder wo wirds einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden für übel aufgenommen, wenn er seiner Länder Intraden genießt, die doch gemeinlich durch ihrer Vorfahren verübte Gewalt zuwegen gebracht worden? Was könnte doch adeliger genennet werden als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene? Ich merke dir an, daß du mir gern vorhalten wolltest, daß ihrer viel wegen Mordens, Raubens und Stehlens seien gerädert, gehenkt und geköpft worden? das weiß ich zuvor wohl, denn das befehlen die Gesetze, du wirst aber keine anderen als arme und geringe Dieb haben henken sehen, welches auch billig ist, weil sie sich dieser vortrefflichen Übung haben unterfangen dürfen, die doch niemandem als herzhaften Gemütern gebührt und vorbehalten ist: Wo hast du jemals eine vornehme Standsperson durch die Justitiam strafen sehen, um daß sie ihr Land zuviel beschwert habe? ja was noch mehr ist, wird doch kein Wucherer gestraft, der diese herrliche Kunst heimlich treibt und zwar unter dem Deckmantel christlicher Lieb, warum wollte denn ich strafbar sein, der ich solche öffentlich, auf gut Alt-Teutsch, ohn einzige Bemäntelung und Gleisnerei übe? Mein lieber Simplici, du hast den Machiavellum noch nicht gelesen; ich bin eines recht aufrichtigen Gemüts, und treibe diese Manier zu leben frei öffentlich ohne alle Scheu; ich fechte und wag mein Leben darüber wie die alten Helden, weiß auch, daß diejenigen Hantierungen, dabei der so sie treibt, in Gefahr stehen muß, zugelassen sind; weil ich denn mein Leben in Gefahr setze, so folgt unwidersprechlich, daß mirs billig und erlaubt sei, diese Kunst zu üben.«
Hierauf antwortet ich: »Gesetzt, Rauben und Stehlen sei dir erlaubt oder nicht, so weiß ich gleichwohl, daß es wider das Gesetz der Natur ist, das da nicht will, daß einer einem andern tun solle, das er nicht will, daß es ihm geschehe; so ist solche Unbilligkeit auch wider die weltlichen Gesetz, welche befehlen, daß die Dieb gehenkt, die Räuber geköpft und die Mörder geradbrecht werden sollen; und letztlich so ist es auch wider Gott, so das Vornehmste ist, weil er keine Sünde ungestraft läßt.« »Es ist, wie ich vor gesagt«, antwort Olivier, »du bist noch Simplicius, der den
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