Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Weimarischen erwischt, so wirst du als ein überzeugter Mörder aufs Rad gelegt.‹ In Summa, ich wußte kein sicher Mittel zu meiner Flucht zu ersinnen, vornehmlich da ich mich in einem wilden Wald befand und weder Weg noch Steg wußte; überdas wachte mir mein Gewissen auch auf und quälte mich, weil ich die Kutsch aufgehalten und ein Ursach gewesen, daß der Kutscher so erbärmlich ums Leben kommen und beide Weibsbilder und unschuldigen Kinder in Keller versperrt worden, worinnen sie vielleicht, wie dieser Jud, auch sterben und verderben müßten; bald wollte ich mich meiner Unschuld getrösten, weil ich wider Willen angehalten würde, aber mein Gewissen hielt mir vor, ich hätte vorlängsten mit meinen andern begangenen bösen Stücken verdient, daß ich in Gesellschaft dieses Erzmörders in die Händ der Justiz gerate und meinen billigen Lohn empfange, und vielleicht hätte der gerechte Gott versehen, daß ich solchergestalt gestraft werden sollte: Zuletzt fing ich an ein Bessers zu hoffen und bat die Güte Gottes, daß sie mich aus diesem Stand erretten wollte, und als mich so eine Andacht ankam, sagte ich zu mir selber: »Du Narr, du bist ja nicht eingesperrt oder angebunden, die ganze weite Welt steht dir ja offen, hast du jetzt nit Pferd genug, zu deiner Flucht zu greifen? oder da du nicht reiten willst, so sind deine Füße ja schnell genug, dich davonzutragen.« Indem ich mich nun selbst so martert und quälte und doch nichts entschließen konnte, kam Olivier mit unserm Baurn daher, der führte uns mit den Pferden auf einen Hof, da wir fütterten und einer um den andern ein paar Stund schliefen; nach Mitternacht ritten wir weiters und kamen gegen Mittag an die äußerste Grenzen der Schweizer, allwo Olivier wohlbekannt war und uns stattlich auftragen ließ, und dieweil wir uns lustig machten, schickte der Wirt nach zweien Juden, die uns die Pferd gleichsam nur um halb Geld abhandelten: Es war alles so nett und just bestellt, daß es wenig Wortwechselns brauchte, der Juden größte Frag war, ob die Pferd kaiserisch oder schwedisch gewesen? und als sie vernahmen, daß sie von den Weimarischen herkämen, sagten sie: »So müssen wir solche nicht nach Basel, sondern in das Schwabenland zu den Bayrischen reiten.« Über welche große Kundschaft und Vertraulichkeit ich mich verwundern mußte.
Wir bankettierten edelmännisch, und ich ließ mir die guten Waldforellen und köstlichen Krebs daselbst wohl schmecken; wie es nun Abend wurde, so machten wir uns wieder auf den Weg, hatten unsern Baurn mit Gebratens und andern Victualien wie einen Esel beladen, damit kamen wir den andern Tag auf einen einzeln Baurnhof, allwo wir freundlich bewillkommt und aufgenommen wurden und uns wegen ungestümen Wetters ein paar Tag aufhielten, folgends kamen wir durch lauter Wald und Abweg wieder in eben dasjenige Häuslein, dahin mich Olivier anfänglich führte, als er mich zu sich bekam.
Das 24. Kapitel
Olivier beißt ins Gras, und nimmt noch ihrer sechs mit sich
Wie wir nun so da saßen, unserer Leiber zu pflegen und auszuruhen, schickte Olivier den Baurn aus, Essenspeis samt etwas von Kraut und Lot einzukaufen; als selbiger hinweg, zog er seinen Rock aus, und sagte zu mir: »Bruder, ich mag das Teufelsgeld nit mehr allein so herumschleppen«, band demnach ein paar Würste oder Wülst, die er auf bloßem Leib trug, herunter, warf sie auf den Tisch, und sagte ferner: »Du wirst dich hiemit bemühen müssen, bis ich einmal Feierabend mache, und wir beide genug haben, das Donnersgeld hat mir Beulen gedrückt!« Ich antwortete: »Bruder, hättest du so wenig als ich, so würde es dich nit drücken.« »Was?« fiel er mir in die Red, »was mein ist, das ist auch dein, und was wir ferner miteinander erobern, soll gleiche Part gelten.« Ich ergriff beide Wülste und befand sie trefflich gewichtig, weil es lauter Goldsorten warn; ich sagte, es sei alles gar unbequem gepackt, da es ihm gefiel, wollte ichs also einnähen, daß einen das Tragen nit halb so saur ankäme. Als er mirs heimstellte, ging ich mit ihm in einen hohlen Eichbaum, allda er Scher, Nadel und Faden vermochte, da machte ich mir und ihm ein Skapulier oder Schulterkleid aus einem Paar Hosen und versteppte manchen schönen roten Batzen darein, und demnach wir nun solche unter die Hemden anzogen, war es nicht anders, als ob wir vorn und hinten mit Gold bewaffnet gewesen wären: und demnach mich wunder nahm, und fragte, warum er kein Silbergeld hätte? bekam ich zur
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