Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
trefflich zur Hochzeit zurüsten, denn der Himmel hing mir voller Geigen; das Baurengut, darauf meine Braut geboren worden, löste ich nit allein ganz an mich, sondern fing noch dazu einen schönen neuen Bau an, gleich als ob ich daselbst mehr hof- und haushalten hätte wollen, und ehe ich die Hochzeit vollzogen, hatte ich bereits über dreißig Stück Vieh dastehen, weil man soviel das Jahr hindurch auf demselben Gut erhalten konnte; in Summa, ich bestellte alles auf das Beste, auch sogar mit köstlichem Hausrat, wie es mir nur meine Torheit eingab. Aber die Pfeif fiel mir bald in Dreck, denn da ich nunmehr vermeinte mit gutem Wind nach England zu schiffen, kam ich wider alle Zuversicht nach Holland, und damals, aber viel zu spät, wurde ich erst gewahr, was Ursach mich meine Braut so ohngerne nehmen wollen, das mich aber am allermeisten schmerzte, war, daß ich mein spöttisch Anliegen keinem Menschen klagen durfte. Ich konnte zwar wohl erkennen, daß ich nach dem Maß der Billigkeit Schulden bezahlen mußte, aber solche Erkenntnis machte mich darum nichts desto geduldiger, viel weniger frömmer, sondern weil ich mich so betrogen befand, gedachte ich meine Betrügerin wieder zu betrügen, maßen ich anfing grasen zu gehen, wo ich zukommen konnte, über das stak ich mehr bei guter Gesellschaft im Saurbrunnen als zu Haus; in Summa, ich ließ meine Haushaltung allerdings ein gut Jahr haben; andernteils war meine Frau ebenso liederlich, sie hatte einen Ochsen, den ich ins Haus schlagen lassen, in etliche Körb eingesalzen; und als sie mir auf ein Zeit eine Spansau zurichten sollte, unterstund sie solche wie einen Vogel zu rupfen, wie sie mir denn auch Krebs auf dem Rost und Forellen an einem Spieß braten wollen; bei diesen paar Exempeln kann man ohnschwer abnehmen, wie ich im übrigen mit ihr bin versorgt gewesen, nicht weniger trank sie auch das liebe Weinchen gern und teilet' andern guten Leuten auch mit, das mir denn mein künftig Verderben prognostizierte.
    Einsmals spazierte ich mit etlichen Stutzern das Tal hinunter, eine Gesellschaft im untern Bad zu besuchen, da begegnet' uns ein alter Baur, mit einer Geiß am Strick, die er verkaufen wollte, und weil mich dünkte, ich hätte dieselbe Person mehr gesehen, fragte ich ihn, wo er mit dieser Geiß herkäme? Er aber zog sein Hütlein ab, und sagte: »Gnädiger Hearr, Eich darfs auch werlich neit sahn.« Ich sagte: »Du wirst sie ja nicht gestohlen haben?« »Nein«, antwort der Baur, »sondern ich bring sie aus dem Städtchen unten im Tal, welches ich eben gegen den Herrn nicht nennen darf, dieweil wir vor einer Geiß reden.« Solches bewegte meine Gesellschaft zum Lachen, und weil ich mich im Angesicht entfärbte, gedachten sie, ich hätte ein Verdruß oder schämte mich, weil mir der Baur so artlich eingeschenkt; aber ich hatte andere Gedanken, denn an der großen Warzen, die der Baur gleichsam wie das Einhorn mitten auf der Stirn stehen hatte, wurde ich eigentlich versichert, daß es mein Knan aus dem Spessart war, wollte derhalben zuvor einen Wahrsager agieren, ehe ich mich ihm offenbaren und mit einem so stattlichen Sohn, als damals meine Kleider auswiesen, erfreuen wollte; sagte derhalben zu ihm: »Mein lieber alter Vater, seid Ihr nicht im Spessart zu Haus?« »Ja Hearr«, antwort der Baur; da sagte ich: »Haben Euch nicht vor ungefähr achtzehn Jahren die Reuter Euer Haus und Hof geplündert und verbrennt?« »Ja, Gott erbarms«, antwortet' der Baur, »es ist aber noch nicht so lang.« Ich fragte weiter: »Habt Ihr nicht damals zwei Kinder, nämlich eine erwachsene Tochter und einen jungen Knaben gehabt, der Euch der Schaf gehütet?« »Herr«, antwortet' mein Knan, »die Tochter war mein Kind, aber der Bub nicht, ich hab ihn aber an Kindes Statt aufziehen wollen.« Hieraus verstund ich wohl, daß ich dieses groben Knollfinken Sohn nicht sei, welches mich einsteils erfreute, hingegen aber auch betrübte, weil mir zugefallen, ich müßte sonsten ein Bankert oder Findling sein; fragte derowegen meinen Knan, wo er denn denselben Buben aufgetrieben? oder was er für Ursach gehabt, denselben an Kinds Statt zu erziehen? »Ach«, sagte er, »es ist mir seltsam mit ihm gangen, der Krieg hat mir ihn geben, und der Krieg hat mir ihn wieder genommen.« Weil ich denn besorgte, es dürfte wohl ein Fazit herauskommen, das mir wegen meiner Geburt nachteilig sein möchte, verwendet ich meinen Diskurs wieder auf die Geiß und fragte, ob er sie der Wirtin in die Küche

Weitere Kostenlose Bücher