Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
verkauft hätte? das mich befremde, weil die Saurbrunnengäst kein alt Geißenfleisch zu genießen pflegten. »Ach nein Herr«, antwort der Baur, »die Wirtin hat selber Geißen genug und gibt auch nichts für ein Ding, ich bring sie der Gräfin, die im Sauerbrunnen badet, und ihr der Doktor Hans in allen Gassen etliche Kräuter geordnet, so die Geiß essen muß, und was sie dann für Milch davon gibt, die nimmt der Doktor und macht der Gräfin noch so ein Arznei drüber, so muß sie die Milch trinken und wieder gesund davon werden; man sagt, es mangel der Gräfin am Gehäng, und wenn ihr die Geiß hilft, so vermag sie mehr als der Doktor und seine Abdecker miteinander.« Unter währender solcher Relation besann ich, auf was Weis ich mehr mit dem Baurn reden möchte, bot ihm derhalben einen Taler mehr um die Geiß, als der Doktor oder die Gräfin darum geben wollten; solches ging er gleich ein (denn ein geringer Gewinn persuadiert die Leut bald anders) doch mit dem Beding, er sollte der Gräfin zuvor anzeigen, daß ich ihm ein Taler mehr darauf geboten, wollte sie dann soviel drum geben als ich, so sollte sie den Vorkauf haben, wo nicht, so wollte er mir die Geiß zukommen lassen und wie der Handel stünde auf den Abend anzeigen.
Also ging mein Knan seines Wegs, und ich mit meiner Gesellschaft den unserigen auch, doch konnte und mochte ich nit länger bei der Kompagnie bleiben, sondern drehte mich ab und ging hin, wo ich meinen Knan wieder fand, der hatte seine Geiß noch, weil ihm andere nicht so viel als ich drum geben wollten, welches mich an so reichen Leuten wunderte und doch nit kärger machte; ich führte ihn auf meinen neuerkauften Hof, bezahlte ihm seine Geiß, und nachdem ich ihm einen halben Rausch angehängt, fragte ich ihn, woher ihm derjenige Knab zugestanden wäre, von dem wir heute geredet? »Ach Herr«, sagte er, »der Mansfelder Krieg hat mir ihn beschert, und die Nördlinger Schlacht hat mir ihn wieder genommen.« Ich sagte: »Das muß wohl ein lustige Histori sein«, mit Bitt, weil wir doch sonst nichts zu reden hätten, er wollte mirs doch für die lange Weil erzählen. Darauf fing er an, und sagte: »Als der Mansfelder bei Höchst die Schlacht verlor, zerstreute sich sein flüchtig Volk weit und breit herum, weil sie nit alle wußten, wohin sie sich retirieren sollten; viel kamen in Spessart, weil sie die Büsch suchten, sich zu verbergen, aber indem sie dem Tod auf der Ebne entgingen, fanden sie ihn bei uns in den Bergen, und weil beide kriegende Teile für billig achteten, einander auf unserm Grund und Boden zu berauben und niederzumachen, griffen wir ihnen auch auf die Hauben, damals ging selten ein Bauer in den Büschen ohne Feurrohr, weil wir zu Haus bei unsern Hauen und Pflügen nit bleiben konnten. In demselben Tumult bekam ich nicht weit von meinem Hof in einem wilden ungeheuren Wald ein schöne junge Edelfrau samt einem stattlichen Pferd, als ich zuvor nit weit davon etliche Büchsenschüß gehört hatte; ich sah sie anfänglich für einen Kerl an, weil sie so männlich daherritt, aber indem ich sie beides Händ und Augen gegen den Himmel aufheben sah und auf welsch mit einer erbärmlichen Stimm zu Gott rufen hörte, ließ ich mein Rohr, damit ich Feur auf sie geben wollte, sinken und zog den Hahnen wieder zurück, weil mich ihr Geschrei und Gebärden versicherten, daß sie ein betrübtes Weibsbild wäre; mithin näherten wir uns einander, und da sie mich sah, sagte sie: ›Ach! wenn Ihr ein ehrlicher Christenmensch seid, so bitte ich Euch um Gottes und seiner Barmherzigkeit, ja um des jüngsten Gerichts willen, vor welchem wir alle um unser Tun und Lassen Rechenschaft geben müssen, Ihr wollet mich zu ehrlichen Weibern führen, die mich durch göttliche Hilf von meiner Leibesbürde entledigen helfen!‹ Diese Wort, die mich so großer Ding erinnerten, samt der holdseligen Aussprach und zwar betrübten doch überaus schönen und anmutigen Gestalt der Frauen zwangen mich zu solcher Erbärmde, daß ich ihr Pferd beim Zügel nahm und sie durch Hecken und Stauden an den allerdicksten Ort des Gesträuchs führte, da ich selbst mein Weib, Kind, Gesind und Vieh hingeflehnt hatte, daselbst genas sie ehender als in einer halben Stund desjenigen jungen Knaben, von dem wir heut miteinander geredet haben.«
Hiemit beschloß mein Knan seine Erzählung, weil er eins trank, denn ich sprach ihm gar gütlich zu; da er aber das Glas ausgeleeret hatte, fragte ich: »Und wie ists danach weiter mit der
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