Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
andere Vögel banne stillzuschweigen und ihr zuzuhören, entweder aus Scham oder ihr etwas von solchem anmutigen Klang abzustehlen; da näherte sich jenseits dem Wasser eine Schönheit an das Gestad, die mich mehr bewegte (weil sie nur das Habit einer Baurndirne antrug) als eine stattliche Demoiselle sonst nit hätte tun mögen; diese hub einen Korb vom Kopf, darin sie einen Ballen frische Butter trug, solchen im Sauerbrunnen zu verkaufen, denselben erfrischte sie im Wasser, damit er wegen der großen Hitz nicht schmelzen sollte, unterdessen setzte sie sich nieder ins Gras, warf ihren Schleier und Baurnhut von sich und wischte den Schweiß vom Angesicht, also daß ich sie genug betrachten und meine vorwitzigen Augen an ihr weiden konnte; da dünkte mich, ich hätte die Tag meines Lebens kein schöner Mensch gesehen, die Proportion des Leibs schien vollkommen und ohne Tadel, Arm und Hände schneeweiß, das Angesicht frisch und lieblich, die schwarzen Augen aber voller Feur und liebreizender Blick'; als sie nun ihre Butter wieder einpackte, schrie ich hinüber: »Ach Jungfer, Ihr habt zwar mit Euren schönen Händen Eure Butter im Wasser abgekühlt, hingegen aber mein Herz durch Eure klaren Augen ins Feur gesetzt!« Sobald sie mich sah und hörte; lief sie davon, als ob man sie gejagt hätte, ohne daß sie mir ein Wörtlein geantwort hätte, mich mit all denjenigen Torheiten beladen hinterlassend, damit die verliebten Phantasten gepeinigt zu werden pflegen.
Aber meine Begierden, von dieser Sonne mehr beschienen zu werden, ließen mich nit in meiner Einsamkeit, die ich mir auserwählt, sondern machten, daß ich den Gesang der Nachtigallen nit höher achtete als ein Geheul der Wölf; derhalben trollte ich auch dem Saurbrunnen zu und schickte meinen Jungen voran, die Butterverkäuferin anzupacken und mit ihr zu marken, bis ich hernachkäme; dieser tat das Seinige und ich nach meiner Ankunft auch das Meinige; aber ich fand ein steinern Herz und eine solche Kaltsinnigkeit, dergleichen ich hinter einem Baurnmägdlein nimmermehr zu finden getraut hätte, welches mich aber viel verliebter machte, ohnangesehen ich, als einer der mehr in solchen Schulen gewesen, mir die Rechnung leicht machen können, daß sie sich nit so leicht betören lassen würde.
Damals hätte ich entweder einen strengen Feind oder einen guten Freund haben sollen; einen Feind, damit ich meine Gedanken gegen denselbigen hätte richten und der närrischen Lieb vergessen müssen, oder einen Freund, der mir ein anders geraten und mich von meiner Torheit, die ich vornahm, hätte abmahnen mögen: Aber ach leider, ich hatte nichts als mein Geld das mich verblendete, meine blinden Begierden die mich verführten, weil ich ihnen den Zaum schießen ließ, und meine grobe Unbesonnenheit, die mich verderbte und in alles Unglück stürzte; ich Narr hätte ja aus unsern Kleidungen als aus einem bösen Omen judizieren sollen, daß mir ihre Lieb nit wohl ausschlagen würde; denn weil mir Herzbruder, diesem Mägdlein aber ihre Eltern gestorben und wir dahero alle beide in Trauerkleidern aufzogen, als wir einander das erstemal sahen, was hätte unsere Buhlschaft für eine Fröhlichkeit bedeuten sollen? Mit einem Wort, ich war mit dem Narrnseil rechtschaffen verstrickt und derhalben ganz blind und ohne Verstand, wie das Kind Cupido selbsten, und weil ich meine viehischen Begierden nicht anders zu sättigen getraute, entschloß ich, sie zu heiraten. »Was«, gedacht ich, »du bist deines Herkommens doch nur ein Baurnsohn und wirst dein Tag kein Schloß besitzen, dieses Revier ist ein edel Land, das sich gleichwohl dies grausame Kriegswesen hindurch gegen andere Orte zu rechnen im Wohlstand und Flor befunden; überdas hast du noch Geld genug, auch den besten Baurnhof in dieser Gegend zu bezahlen, du willst dies ehrliche Baurngretlein heiraten und dir einen geruhigen Herrnhandel mitten unter den Bauren schaffen, wo wolltest du dir eine lustigere Wohnung aussehen können als bei dem Sauerbrunnen, da du wegen der zu- und abreisenden Badgäst gleichsam alle sechs Wochen ein neue Welt sehen und dir dabei einbilden kannst, wie sich der Erdkreis von einem Saeculo zum andern verändert.« Solche und dergleichen mehr tausendfältige Gedanken machte ich, bis ich endlich meine Geliebte zur Ehe begehrete und (wiewohl nicht ohne Mühe) das Jawort erhielt.
Das 8. Kapitel
Simplicius gibt sich in die zweite Ehe, trifft seinen Knan an und erfährt, wer seine Eltern gewesen
Ich ließ
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