Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Nebenmenschen mit ihrer War, die sie zu solchem Ende aus fernen Landen herbringen, bedient sein können. Die Wirte treiben nicht deswegen ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich der Hungrige, Durstige und Reisende bei ihnen erquicken, und sie die Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit an den müden und kraftlosen Menschen üben könnten: Also sucht der Medicus nicht seinen Nutz, sondern die Gesundheit seines Patienten, wohin denn auch die Apotheker zielen: Die Handwerker wissen von keinen Vorteiln, Lügen und Betrug, sondern befleißigen sich, ihre Kunden mit daurhafter und rechtschaffener Arbeit am besten zu versehen: Den Schneidern tut nichts Gestohlenes im Aug wehe, und die Weber bleiben aus Redlichkeit so arm, daß sich auch keine Mäus bei ihnen ernähren können, denen sie etwa ein Knäul Garn nachwerfen müßten: Man weiß von keinem Wucher, sondern der Wohlhäbige hilft dem Dürftigen aus christlicher Liebe ganz ohngebeten: Und wenn ein Armer nicht zu bezahlen hat, ohne merklichen Schaden und Abgang seiner Nahrung, so schenkt ihm der Reich die Schuld von freien Stücken: Man spüret keine Hoffart, denn jeder weiß und bedenkt, daß er sterblich ist: Man merket keinen Neid, denn es weiß und erkennet je einer den andern für ein Ebenbild Gottes, das von seinem Schöpfer geliebet wird: Keiner erzürnt sich über den andern, weil sie wissen, daß Christus für alle gelitten und gestorben: Man höret von keiner Unkeuschheit oder unordentlichen fleischlichen Begierden, sondern was so vorgehet, das geschieht aus Begierd und Liebe zur Kinderzucht: Da findet man keine Trunkenbold oder Vollsäufer, sondern wenn einer den andern mit einem Trunk ehret, so lassen sich beide nur mit einem christlichen Räuschlein begnügen: Da ist keine Trägheit im Gottesdienst, denn ein jeder erzeigt einen emsigen Fleiß und Eifer, wie er vor allen andern Gott rechtschaffen dienen möge, und eben deswegen sind jetzund so schwere Krieg auf Erden, weil je ein Teil vermeint, das andere diene Gott nicht recht: Es gibt keine Geizigen mehr sondern Gesparsame; keine Verschwender sondern Freigebige; keine Kriegsgurgeln, so die Leut berauben und verderben, sondern Soldaten, die das Vaterland beschirmen; keine mutwilligen faulen Bettler, sondern Verächter der Reichtümer und Liebhaber der freiwilligen Armut; keine Korn- und Weinjuden, sondern vorsichtige Leut, die den überflüssigen Vorrat auf den besorgenden künftigen Notfall für das Volk zusammenheben.«
Das 16. Kapitel
Etliche neue Zeitungen aus der Tiefe des unergründlichen Meers, Mare del Zur oder das friedsame stille Meer genannt
Ich pausierte ein wenig, und bedachte mich was ich noch ferners vorbringen wollte, aber der König sagte, er hätte bereits so viel gehört, daß er nichts mehrers zu wissen begehrte; wenn ich wollte, so sollten mich die Seinigen gleich wieder an den Ort bringen wo sie mich genommen; wollte ich aber (»denn ich sehe wohl«, sagte er, »daß du ziemlich kurios bist«) in seinem Reich eins und anders beschauen, das meinesgleichen ohne Zweifel selten sehn würde, so sollte ich in seiner Jurisdiktion sicher hin begleitet werden, wohin ich nur wollte, und alsdann so wollte er mich mit einer Verehrung abfertigen, daß ich damit zufrieden sein könnte; da ich mich aber nichts entschließen und ihm antworten konnte, wandte er sich zu etlichen, die eben in den Abgrund des Mare del Zur sich begeben und dorten beides wie aus einem Garten und wie von einer Jagd Nahrung holen sollten, zu denen sagte er: »Nehmt ihn mit und bringt ihn bald wieder her, damit er noch heut wieder auf den Erdboden gestellt werde.« Zu mir aber sagte er, ich könnte mich indessen auf etwas besinnen, das in seiner Macht stünde, um solches mir zum Rekompens und einem ewigen Gedächtnis mit auf den Erdboden zu geben. Also wischte ich mit den Sylphis davon durch ein Loch, welches etlich hundert Meil lang war, ehe wir auf den Grund des obgedachten friedsamen Meers kamen, darauf stunden Korallenzinken so groß als die Eichbäum, von welchen sie zur Speise mit sich nahmen, was noch nicht erhärtet und gefärbt war, denn sie pflegen sie zu essen wie wir die jungen Hirschgeweih, da sah man Schneckenhäuslein so hoch als ein ziemlich Rondel und so breit als ein Scheuertor; item Perlen so dick als Fäuste, welche sie anstatt der Eier aßen, und andere viel seltsamere Meerwunder die ich nicht all erzählen kann; der Boden lag überall mit Smaragden, Türkis, Rubinen, Diamanten,
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