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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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solchem Gespräch fragte ich den Prinzen, ob auch möglich sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee, auch an ein andern Ort der Erden auf die Welt bringen könnte? »Freilich«, antwortet' er, »warum das nicht, wenn es nur Gottes Will ist; denn auf solche Weis haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kananäer, die dem Schwert Josuae entronnen und sich aus Desperation in einen solchen See gesprengt, nach Americam geführt, maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern anfänglich entsprungen.« Als ich nun sah, daß er sich über meine Verwunderung verwunderte, gleichsam als ob seine Erzählung nicht verwundernswürdig wäre, sagte ich zu ihm: Ob sie sich denn nit auch verwunderten, da sie etwas Seltenes und Ungewöhnliches von uns Menschen sehen? Hierauf antwortet' er: »Wir verwundern uns an euch nichts mehrers, als daß ihr euch, da ihr doch zum ewigen seligen Leben und den unendlichen himmlischen Freuden erschaffen, durch die zeitlichen und irdischen Wollüste, die doch so wenig ohne Unlust und Schmerzen als die Rosen ohne Dornen sind, dergestalt betören laßt, daß ihr dadurch euer Gerechtigkeit am Himmel verlieret, euch der fröhlichen Anschauung des allerheiligsten Angesichts Gottes beraubt und zu den verstoßenen Engeln in die ewige Verdammnis stürzet! Ach möchte unser Geschlecht an eurer Stell sein, wie würde sich jeder befleißen, in dem Augenblick eurer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit die Prob besser zu halten als ihr, denn das Leben so ihr habt, ist nit euer Leben, sondern euer Leben oder der Tod wird euch erst gegeben, wenn ihr die Zeitlichkeit verlaßt; das aber was ihr das Leben nennet, ist gleichsam nur ein Moment und Augenblick, so euch verliehen ist, Gott darin zu erkennen und ihm euch zu nähern, damit er euch zu sich nehmen möge; dannenhero halten wir die Welt für einen Probierstein Gottes, auf welchem der Allmächtige die Menschen, gleichwie sonst ein reicher Mann das Gold und Silber probiert, und nachdem er ihren Valor am Strich befindet, oder nachdem sie sich durch Feuer läutern lassen, die guten und feinen Gold- und Silbersorten in seinen himmlischen Schatz leget, die bösen und falschen aber ins ewige Feuer wirft, welches euch denn euer Heiland und unser Schöpfer mit dem Exempel vom Weizen und Unkraut genugsam vorgesagt und offenbaret hat.«

Das 15. Kapitel
    Was der König mit Simplicio und Simplicius mit dem König geredet
    Dies war das End unsers Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohne Zeremonien oder Verlust einziger Zeit hingebracht wurde: Da hatte ich nun wohl Ursach, mich über seine Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung noch einziges Gepräng, ja aufs wenigst keinen Kanzler oder geheime Rät, noch einzigen Dolmetschen, oder Trabanten und Leibguardi, ja sogar keinen Schalksnarrn, noch Koch, Kellner, Page, noch einzigen Favoriten oder Tellerlecker nicht sah; sondern rings um ihn her schwebten die Fürsten über alle Seen, die sich in der ganzen Welt befinden, ein jedweder in derjenigen Landsart aufziehend, in welches sich ihr unterhabender See von dem Centro Terrae aus erstreckte; dannenhero sah ich zugleich die Ebenbilder der Chinesen und Afrikaner, Troglodyten und Novazembler, Tatarn und Mexikaner, Samojeden und Molukkenser, ja auch von denen, so unter den Polis arctico und antarctico wohnen, das wohl ein seltsames Spektakul war; die zween, so über den wilden und schwarzen See die Inspektion trugen, waren allerdings bekleidet, wie der so mich convoyiert, weil ihre Seen zunächst am Mummelsee gelegen, zog also derjenige, so über den Pilatussee die Obsicht trug, mit einem breiten ehrbaren Bart und einem Paar Pluderhosen auf wie ein reputierlicher Schweizer, und derjenige so über den obgemeldte See Camarina die Aufsicht hatte, sah beides mit Kleidern und Gebärden einem Sizilianer so ähnlich, daß einer tausend Eid geschworen hätte, er wäre noch niemalen aus Sicilia kommen und könnte kein teutsches Wort; also sah ich auch, wie in einem Trachtenbuch, die Gestalten der Perser, Japonier, Moskowiter, Finnen, Lappen und aller andern Nationen in der ganzen Welt.
    Ich bedurfte nit viel Komplimente zu machen, denn der König fing selbst an fein gut Teutsch mit mir zu reden, indem sein erstes Wort war, daß er fragte: »Aus was Ursach hast du dich unterfangen, uns gleichsam ganz mutwilliger Weis so einen

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