Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
neunte das Gries, der zehente die Lungensucht, der elfte das Fieber, der zwölfte den Aussatz, der dreizehente das Hinfallen, und der vierzehente die Torheit! In dir o Welt, tut nicht einer was der ander tut, denn wenn einer weinet, so lacht der ander; einer seufzet, der ander ist fröhlich; einer fastet, der ander zechet; einer bankettiert, der ander leidet Hunger; einer reitet, der ander gehet; einer redt, der ander schweigt; einer spielet, der ander arbeitet; und wenn der eine geboren wird, so stirbt der ander. Also lebt auch nicht einer wie der ander, der eine herrschet, der ander dienet; einer weidet die Menschen, ein anderer hütet der Schwein; einer folgt dem Hof, der ander dem Pflug; einer reist auf dem Meer, der ander fährt über Land auf die Jahr- und Wochenmärkt; einer arbeit im Feur, der ander in der Erde, einer fischt im Wasser, und der ander fängt Vögel in der Luft; einer arbeitet härtiglich, und der ander stiehlet und beraubet das Land.
O Welt behüt dich Gott, denn in deinem Haus führet man weder ein heilig Leben, noch einen gleichmäßigen Tod; der eine stirbt in der Wiegen, der ander in der Jugend auf dem Bett, der dritte am Strick, der vierte am Schwert, der fünfte auf dem Rad, der sechste auf dem Scheiterhaufen, der siebente im Weinglas, der achte in einem Wasserfluß, der neunte erstickt im Freßhafen, der zehente erwürgt am Gift, der elfte stirbt jähling, der zwölfte in einer Schlacht, der dreizehente durch Zauberei, und der vierzehente ertränkt seine arme Seel im Tintenfaß.
Behüt dich Gott Welt, denn mich verdrießt deine Konversation; das Leben so du uns gibst, ist ein elende Pilgerfahrt, ein unbeständiges, ungwisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben, voll Armseligkeit und Irrtum, welches vielmehr ein Tod als ein Leben zu nennen; in welchem wir all Augenblick sterben durch viel Gebrechen der Unbeständigkeit und durch mancherlei Weg des Tods! du läßt dich der Bitterkeit nicht genügen, mit der du umgeben und durchsalzen bist, sondern betrügst noch dazu die meisten mit deinem Schmeicheln, Anreizung und falschen Verheißungen, du gibst aus dem güldenen Kelch, den du in deiner Hand hast, Bitterkeit und Falschheit zu trinken, und machst sie blind, taub, toll, voll und sinnlos, ach wie wohl denen, die dein Gemeinschaft ausschlagen: deine schnelle augenblickliche hinfahrende Freud verachten, dein Gesellschaft verwerfen, und nicht mit einer solchen arglistigen verlornen Betrügerin zugrund gehen; denn du machest aus uns einen finstern Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkendes Aas, ein unreines Geschirr in der Mistgrub, ein Geschirr der Verwesung voller Gestank und Greuel, denn wenn du uns lang mit Schmeicheln, Liebkosen, Dräuen, Schlagen, Plagen, Martern und Peinigen umgezogen und gequält hast, so überantwortest du den ausgemergelten Körper dem Grab, und setzest die Seel in ein ungewisse Schanz. Denn obwohl nichts Gewissers ist als der Tod, so ist doch der Mensch nicht versichert, wie, wann und wo er sterben, und (welches das erbärmlichste ist) wo sein Seel hinfahren, und wie es derselben ergehen wird: Wehe aber alsdann der armen Seelen, welche dir o Welt, hat gedienet, gehorsamt und deinen Lüsten und Üppigkeiten hat gefolgt, denn nachdem eine solche sündige und unbekehrte arme Seel mit einem schnellen und unversehenen Schrecken aus dem armseligen Leib ist geschieden, wird sie nicht wie der Leib im Leben mit Dienern und Befreundten umgeben sein, sondern von der Schar ihrer allergreulichsten Feinde vor den sonderbaren Richterstuhl Christi geführt werden; darum o Welt behüt dich Gott, weil ich versichert bin, daß du dermaleins von mir wirst aussetzen und mich verlassen, nicht allein zwar wenn meine arme Seel vor dem Angesicht des strengen Richters erscheinen, sondern auch wenn das allerschrecklichste Urteil ›Gehet hin ihr Vermaledeiten ins ewige Feuer‹ etc. gefällt und ausgesprochen wird.
Adieu o Welt, o schnöde arge Welt, o stinkendes elendes Fleisch; denn von deinetwegen und um daß man dir gefolget, gedienet und gehorsamet hat, so wird der gottlos Unbußfertig zur ewigen Verdammnis verurteilt, in welcher in Ewigkeit anders nichts zu gewarten, als anstatt der verbrachten Freud Leid ohne Trost, anstatt des Zechens Durst ohne Labung, anstatt des Fressens Hunger ohne Fülle, anstatt der Herrlichkeit und Pracht Finsternis ohne Licht; anstatt der Wollüste Schmerzen ohne Linderung, anstatt des Dominierens und Triumphierens
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