Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
wackere Leut trage.«
Darauf ließ Julus durch Avarum, seinen Diener, dem Schiffpatronen die Fracht in lauter wiewohl groben, jedoch anmutig und holdselig Goldsorten entrichten, weswegen denn der Schiffherr dem Julo einen demütig Bückling machte und ihn gar vielmal einen gnädigen Herren nennete; solches machte sich die Hoffart zunutz, und sagte zum Avaro: »Schaue wie einer geehrt wird, der dieser Gesellen viel herbergt!« Der Geiz aber sagte zu ihm: »Hättest du solcher Gäste soviel besessen als dein Herr nur jetzt ausgibt, du solltest sie wohl anders angelegt haben; denn weit besser ists, der Vorrat und Überfluß werde zu Haus auf ein gewisses Interesse angelegt, damit man künftig etwas davon zu genießen habe, als daß man denselbigen auf einer Reis, die ohnedas voller Mühe, Sorg und Gefahr steckt, so unnützlich durchjagt.«
Sobald betraten beide Jüngling das feste Land nicht, als Hoffart die Verschwendung vertraulich avisierte, daß sie nicht allein ein Zutritt, sondern allem Vermuten nach einen unbeweglichen Sitz auf ihr erstes Anklopfen in des Juli Herzen bekommen; mit angehängter Erinnerung, sie möchte noch mehrerer anderwärtlichen Assistenz sich bewerben, damit sie desto sicherer und gewisser ihr Vorhaben ins Werk stellen könnte; sie wolle ihr zwar nit weit von der Hand gehen, aber gleichwohl mußte sie ihrem Gegenteil, dem Geiz, ebenso große Hilf leisten, als sie, die Verschwendung, von ihr zu hoffen.
Mein großgünstiger hochgeehrter Leser, wenn ich eine Histori zu erzählen hätte, so wollte ichs kürzer begreifen und hier nicht soviel Umständ machen; ich muß selbst gestehen, daß mein eigner Vorwitz von jedem Geschichtschreiber stracks erfordert, mit seinen Schriften niemand lang aufzuhalten; aber dieses, was ich vortrage, ist ein Vision oder Traum, und also weit ein anders; ich darf nicht so geschwind zum Ende eilen, sondern muß etliche geringe Partikularitäten und Umstände mit einbringen, damit ich etwas vollkommner erzählen möge, was ich den Leuten dies Orts zu kommuniziern vorhabe; welches denn nichts anders ist, als ein Exempel zu weisen, wie aus einem geringen Fünklein allgemach ein groß Feur werde, wenn man die Vorsichtigkeit nicht beobachtet; denn gleichwie selten jemand in dieser Welt auf einmal den höchsten Gradum der Heiligkeit erlangt, also wird auch keiner jähling und sozusagen in einem Augenblick aus einem Frommen zu einem Schelmen, sondern jeder Teil steigt allgemach, sacht und sacht fein staffelweis hinan; welche Staffeln des Verderbens denn in diesem meinem Gesichte billig nicht außer acht zu lassen, damit sich ein jeder zeitlich davor zu hüten wisse; zu welchem End ich denn vornehmlich solche beschreibe; maßen es diesen beiden Jünglingen gangen wie einem jungen Stück Wild, welches, wenn es den Jäger siehet, anfänglich nicht weiß ob es fliehen oder stehen soll, oder doch ehender gefällt wird, als es den Schützen erkennet; zwar gingen sie etwas geschwinder als gewöhnlich ins Netz, aber solches war die Ursach, daß bei jedem der Zunder bequem war, die Funken des einen und andern Lasters alsogleich zu fangen; denn wie das junge Vieh, wenn es wohl ausgewintert ist und im Frühling aus dem verdrießlichen Stall auf die lustige Weid gelassen wird, anfängt zu gumpen, und sollte es auch zu seinem Verderben in einen Spalt oder Zaunstecken springen, also machts auch die unbesonnene Jugend, wenn sie sich nicht mehr unter der Ruten väterlicher Zucht, sondern aus der Eltern Augen in der lang erwünschten Freiheit befindet, als der gemeiniglich Erfahrenheit und Vorsichtigkeit manglet.
Das obgemeldte sagte die Hoffart nicht nur für die Langeweil zu der Verschwendung, sondern wendet' sich gleich zu dem Avaro selbsten, bei dem sie den Neid und Mißgunst fand, welche Kameraden der Geiz geschickt hatte, ihm den Weg zu bereiten; derowegen richtet' sie ihren Diskurs danach ein, und sagte zu ihm: »Höre du Avare, bist du nicht so wohl ein Mensch als dein Herr? bist du nicht so wohl ein Engeländer als Julus? was ist denn das, daß man ihn einen gnädigen Herrn und dich seinen Knecht nennet? hat euch beide denn nicht Engeland und zwar den einen wie den andern geborn und auf die Welt gebracht? wo kommt es her, daß er hier im Land, da er so wenig Eignes hat als du, für einen gnädigen Herren gehalten, du aber als ein Sklav traktiert würdest? seid nicht ihr beide einer wie der ander über Meer herkommen? hätte er nicht so wohl als du und ihr beide als Menschen
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