Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
vertunlicher Herr an die Hand gab; jedoch unterließ der innerliche Wächter, das Licht der Vernunft, der Zeug' der nimmer gar stillschweigt, nämlich das Gewissen indessen nicht einem jeden seine Fehler zeitlich genug vorzuhalten und ihn eines andern zu erinnern.
»Gemach! gemach!« wurde zu dem Julo gesprochen, »halte ein dasjenig so ohnnützlich zu verschwenden, welches deine Vorderen vielleicht mit saurer Mühe und Arbeit, ja vielleicht mit Verlust ihrer Seligkeit erworben und dir so getreulich vorgespart haben; vielmehr lege es also an, damit du künftig deswegen beides vor Gott, der ehrbarn Welt und deinen Nachkommen bestehen und Rechenschaft darum geben mögest!« etc. Aber diesem und dergleichen heilsamen Erinnerungen oder innerlichen guten Einsprechung, die Julum zur Mäßigkeit reizen wollten, wurde geantwortet: »Was! ich bin kein Bärnhäuter noch Schimmeljud, sondern ein Kavalier; sollte ich meine adeligen Exercitia in Gestalt eines Bettelhunds oder Schurken begreifen? nein das ist nit der Gebrauch noch Herkommens, ich bin nit hier Hunger und Durst zu leiden, viel weniger wie ein alter karger Filz zu schachern, sondern als ein rechtschaffner Kerl von meinen Renten zu leben!« Wenn aber die guten Einfäll, die er melancholische Gedanken zu nennen pflegte, auf solche Gegenwürf dennoch nit ablassen wollten, ihn aufs beste zu ermahnen, so ließ er sich das Lied ›Laßt uns unser Tag genießen, Gott weiß wo wir morgen sein‹ etc. aufspielen oder besuchte das Frauenzimmer oder sonst ein lustige Gesellschaft, mit der er ein Rausch soff, wovon er je länger je ärger, und endlich gar zu einem Epikurer ward.
Nicht weniger wurde andernteils Avarus von innerlichen Zusprechen erinnert, daß dieser Weg, den er zum Besitz der Reichtüm' zu gehen antrete, die allergrößte Untreu von der Welt sei; mit fernerer Ermahnung, er sei seinem Herrn nit allein mitgeben worden ihm zu dienen, sondern auch durchaus seinen Schaden zu wenden, seinen Nutzen zu fördern, ihn zu allen ehrlichen Tugenden anzureizen, vor allen schändlichen Lastern zu warnen und vornehmlich sein zeitliche Hab nach möglichestem Fleiß zusammenzuheben und beobachten, welche er aber im Gegenteil selbst zu sich reiße und ihn, Julum, noch dazu in allerhand Laster stürzen helfe; item auf was Weis er wohl vermeine, daß er solches gegen Gott, dem er um alles Rechenschaft geben müßte, gegen des Juli fromme Eltern, die ihm ihren einzigen Sohn anvertraut und getreulich zu beobachten befohlen, und endlich gegen den Julum selbsten zu verantworten getraue, wenn derselbe zu seinen Tagen kommen und heut oder morgen verstehen werde, daß aus seiner Verwahrlosung und Untreu beides, seine Person zu allem Guten verderbt und sein Reichtüm' unnützlich verschwendet worden? »Hiemit zwar, o Avare, ists noch nicht genug! denn über solche schwere Verantwortung, die du dir des Juli Person und Gelds wegen aufbürdest, besudelst du dich selbst auch mit dem schändlichen Laster des Diebstahls und machst dich des Strangs und Galgens würdig; du unterwirfst deine vernünftige ja himmlische Seel dem Schlamm der irdischen Güter, die du ungetreuer und hochsträflicher Weis zusammenzuscharren gedenkest, welche doch der Heid Krates Thebanus ins Meer warf, damit sie ihn nit verderben sollten, wiewohl er solche rechtmäßig besaß; wieviel mehr, kannst du wohl erachten, werden sie dein Untergang sein, indem du solche im Gegenspiel aus dem großen Meer deiner Untreu erfischen willst! solltest du dir wohl einbilden dürfen, sie werden dir wohlgedeihen?«
Solche und dergleichen mehr guter Ermahnungen beides von der gesunden Vernunft und seinem Gewissen empfand zwar Avarus in sich selbsten; aber es manglet' ihm hingegen mitnichten an Entschuldigungen, sein böses Beginnen zu beschönen und gutzusprechen. »Was?« sagte er mit Salomone, Proverbior. 26 wegen des Juli Person, »was soll dem Narren Ehr, Geld und gute Tage? sie könnens doch nicht brauchen! zudem hat er ohnedas genug! und wer weiß wie es seine Eltern gewonnen haben? ists nicht besser, ich packe selbst dasjenige an, das er doch sonst ohne mich verschwendet, als daß ichs unter Fremde kommen lasse?«
Dergestalt folgten beide Jüngling ihren verblendten Begierden und ersäuften sich mithin in Abgrund der Wollust, bis endlich Julus die lieben Franzosen bekam und eine Woch oder vier schwitzen, und beides seinen Leib und Beutel purgiern lassen mußte, welches ihn drum nit besser machte oder ihm zur Warnung gedeihete;
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