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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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und frommer hochgeehrter Herr, ich bedanke mich nachmalen der guten Herberg und bitte Gott, daß ers dem Herrn wieder tausendfältig vergelten wolle, sonst hab ich Sorg, der Herr möchte sich vielleicht künftig zu weit in Gefahr wagen und Gott versuchen, weil er so eine treffliche Kunst von mir wider das Schießen gelernet; also habe ich den Herren warnen, und ihm die Kunst erläutern wollen, damit sie ihm vielleicht nicht zu unstatten und Schaden gereiche; ich hab geschrieben:
    ›Das Mittel der folgend Schrift / behüt daß dich kein Kugel trifft.‹
    Solches verstehe der Herr recht und nehme aus jedem unteutschen Wort, als welche weder zauberisch noch sonst von Kräften sind, den mittlern Buchstaben heraus, setze sie der Ordnung nach zusammen so wird es heißen: ›Steh an ein Ordt, da niemant hinscheust, so bistu sicher.‹ Dem folge der Herr, denke meiner zum besten und bezeihe mich keines Betrugs, womit ich uns beiderseits Gottes Schutz befehle, der allein beschützet welchen er will. Dat. etc.«
    Des andern Tags wollte man mich nicht passieren lassen, weil ich kein Geld hatte, den Zoll zu entrichten, mußte derowegen wohl zwo Stund sitzen bleiben, bis ein ehrlicher Mann kam, der die Gebühr um Gotteswillen für mich darlegte; dasselbe muß mir aber sonst niemand als ein Henker gewesen sein, denn der Zöllner sagte zu ihm: »Wie dünkt Euch Meister Christian, getrauet Ihr wohl, an diesem Kerl einen zeitlichen Feierabend zu machen?« »Ich weiß nit«, antwortet' Meister Christian, »ich hab meine Kunst noch nie an den Pilgern probiert, wie an Euersgleichen Zöllnern.« Davon kriegte der Zöllner ein lange Nas, ich aber trollte fort Zürch zu; allwo ich auch erst mein Schreiben zurück auf Schaffhausen bestellte, weil mir nit geheur bei der Sach war.

Das 14. Kapitel
    Allerhand Aufschneidereien des Pilgers, die einem auch in einem hitzigen Fieber nicht seltsamer vorkommen können
    Damal erfuhr ich, daß einer nit wohl in der Welt fortkommt der kein Geld hat, wenn einer dessen zu seines Lebens Aufenthalt gleich gern entbehren wollte; andere Pilger, die Geld hatten und auch nach Einsiedeln wollten, saßen zu Schiff und ließen sich den See hinauf führen, da hingegen mußte ich durch Umweg zu Fuß forttanzen, keiner andern Ursachen halber, als weil ich den Fergen nit zu bezahlen vermochte; ich ließ mich solches aber mitnichten anfechten, sondern machte desto kürzere Tagreisen, und nahm mit allen Herbergen vorlieb wie sie mir anstunden, und hätte ich auch in einem Beinhäusel übernachten sollen; wenn mich aber irgends ein Vorwitziger meiner Seltsamkeit wegen aufnahm, um etwas Wunderlichs von mir zu hören, so traktierte ich denselben, wie ers haben wollte, und erzählte ihm allerhand Storgen, die ich hin und wieder auf meinen weiten Reisen gesehen, gehört und erfahren zu haben vorgab; schämte mich auch gar nicht, die Einfäll, Lügen und Grillen der alten Skribenten und Poeten vorzubringen und für eine Wahrheit darzugeben, als wenn ich selbst überall mit und dabei gewesen wäre; exempelsweis: ich hatte ein Geschlecht der pontischen Völker, so Thybii genannt, gesehen, die in einem Aug zween Augäpfel, in dem andern das Bildnis eines Pferds haben, und bewies solches mit Phylarchi Zeugnis; ich war beim Ursprung des Flusses Ganges bei den Astomis gewesen, die weder essen noch Mäuler haben, sondern nach Plinii Zeugnis allein durch die Nase vom Geruch sich ernähren; item bei den bithynischen Weibern in Scythia, und den Tribalis in Illyria, die zween Augäpfel in jedem Aug haben, maßen solches Apollonides und Hesigonus bezeugen; ich hatte vor etlichen Jahren mit den Einwohnern des Bergs Myli gute Kundschaft gehabt, welche wie Megasthenes sagt Füße haben wie die Füchs und an jedem Fuß acht Zehen; bei den Troglodytis gegen Niedergang wohnhaftig hatte ich mich auch ein Weil aufgehalten, welche wie Ktesias bezeugt weder Kopf noch Hals, sondern Augen, Maul und Nase auf der Brust stehen haben; nicht weniger bei Monoscelis oder Sciopodibus, die nur einen Fuß haben, damit sie den ganzen Leib vor Regen und Sonnenschein beschirmen, und dennoch mit solchem einzigen großen Fuß ein Hirsch überlaufen können; ich hatte gesehen die Anthropophagi in Scythia und die Caffres in India, die Menschenfleisch fressen; die Andabati, so mit zugetanen Augen streiten und in den Haufen schlagen; Agriophagi, die Löwen und Pantertierfleisch fressen; die Arimphei, so unter den Bäumen ohn alle Verwahrung sicher hineinschlafen; die

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