Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Gott und gute Leut gönnen, unter diesem Schopf mein Ruhe zu nehmen, die ich jetzt trefflich wohl bedarf, so bin ich schon versorgt und wohl content.« Er sagte: »Wenn ich wüßte, daß du keine Läuse hättest, so wollte ich dich herbergen und in ein gut Bett legen.« Ich hingegen antwortet, ich hätte zwar so wenig Läus als Heller, wüßte aber gleichwohl nicht, ob mir ratsam wär in einem Bett zu schlafen, weil mich solches verleckern und von meiner Gewohnheit hart zu leben abziehen möchte. Mit dem kam noch ein feiner reputierlicher alter Herr daher, zu dem sagte der junge: »Schauet um Gotteswillen einen andern Diogenem Cynicum!« »Ei, ei, Herr Vetter«, sagt' der Alte, »was redet Ihr, hat er denn schon jemand angebollen oder gebissen, gebt ihm dafür ein Almosen und laßt ihn seins Wegs gehen.« Der junge antwortet': »Herr Vetter, er will kein Geld, auch sonst nichts annehmen, was man ihm Guts tun will«; erzählte dem Alten darauf alles was ich geredt und getan hatte. »Ha!« sagt' der Alt, »viel Köpf viel Sinn«; gab darauf seinen Dienern Befehl, mich in ein Wirtshaus zu führen und dem Wirt gutzusprechen für alles, was ich dieselbe Nacht verzehren würde; der junge aber schrie mir nach, ich sollte bei Leib und Leben morgen frühe wieder zu ihm kommen, er wollte mir ein gute kalte Küch mit auf den Weg geben.
Also entrann ich aus meinem Umstand, da man mich mehr gehetzt, als ich beschreibe; kam aber aus dem Fegfeur in die Höll, denn das Wirtshaus stak voller trunkner und toller Leute, die mir mehr Dampfs antaten, als ich noch nie auf meiner Pilgerschaft erfahren; jeder wollte wissen wer ich wäre; der eine sagte ich wäre ein Spion oder Kundschafter, der ander sagte ich sei ein Wiedertäufer, der dritte hielt mich für einen Narren, der vierte schätzte mich für einen heiligen Propheten, die allermeisten aber glaubten ich wäre der ewig Jud, davon ich bereits oben Meldung getan, also daß sie mich beinahe dahin brachten aufzuweisen, daß ich nicht beschnitten wär; endlich erbarmt' sich der Wirt über mich, riß mich von ihnen und sagte: »Laßt mir den Mann ungeheiet, ich weiß nicht ob er oder ihr die größten Narren sind«, und damit ließ er mich schlafen führen.
Den folgenden Tag verfügte ich mich vor des jungen Herrn Haus, das versprochen Frühstück zu empfangen; aber der Herr war nicht daheim, doch kam seine Frau mit ihren Kindern herunter, vielleicht meine Seltsamkeit zu sehen, davon ihr der Mann gesagt haben mochte; ich verstund gleich aus ihrem Diskurs (gleichsam als ob ichs hätte wissen müssen) daß ihr Mann beim Senat wäre und ohngezweifelte Hoffnung hätte, denselben Tag die Stell eines Landvogts oder Landamtmanns zu bekommen, ich sollte, sagte sie, nur noch ein wenig verziehen, er würde bald wieder daheimen sein; wie wir nun so miteinander redeten, tritt er die Gassen dort her und sah meinem Bedünken nach bei weitem so lustig nicht aus als gestern abend; sobald er unter die Tür kam, sagte zu ihm: »Ach Schatz, was seid Ihr worden?« Er aber lief die Stiegen hinauf und im Vorbeigehen sagte er zu ihr: »Ein Hundsfott bin ich worden.« Da gedachte ich, ›hie wirds für diesmal schlechten guten Willen setzen‹, schlich derowegen allgemach von der Tür hinweg, die Kinder aber folgten mir nach sich übergenug zu verwundern, denn es geselleten sich andere zu, welchen sie mit großen Freuden rühmten, was ihr Vater für ein Ehrenamt bekommen: »Ja«, sagten sie zu jeglichem, das zu ihnen kam, »unser Vater ist ein Hundsfott worden«, welcher Einfalt und Torheit ich wohl lachen mußte.
Da ich nun merkte, daß es mir in den Städten bei weitem nicht so wohl ging als auf dem Land, setzte ich mir vor auch in keine Stadt mehr zu kommen, wenn es anders möglich sein könnte solche umzugehen; also behalf ich mich auf dem Land mit Milch, Käs, Zieger, Butter und etwa ein wenig Brot, das mir der Landmann mitteilete, bis ich beinahe die savoysche Grenzen überschritten hatte; einsmals wandelt ich in selbiger Gegend im Kot daher bis über die Knöchel gegen einen adeligen Sitz, als es eben regnete, als wenn mans mit Kübeln heruntergegossen hätte; da ich mich nun demselbigen adeligen Hause näherte, sah mich zu allem Glück der Schloßherr selbsten, dieser verwundert' sich nicht allein über meinen seltsamen Aufzug, sondern auch über meine Geduld; und weil ich in solchem starken Regenwetter nicht einmal unterzustellen begehrte, ohnangesehen ich daselbst Gelegenheit genug dazu hatte,
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