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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Westindien nicht gesehen; wir legten uns zehn Klafter tief auf den Anker in guten Sandgrund und schickten einen Nachen mit acht Mann zu Land, um zu sehen, ob daselbsten keine Erfrischung zu bekommen.
    Diese kamen bald wieder und brachten einen großen Überfluß von allerhand Früchten, als Zitronen, Pomeranzen, Kokos, Bonanes, Batates, und was uns zum höchsten erfreute, auch die Zeitung mit sich, daß trefflich gut Trinkwasser auf der Insel zu bekommen; item, ob sie zwar einen Hochteutschen auf der Insel angetroffen, der allem Ansehen nach sich schon lange Zeit allda befunden, so laufe jedoch der Ort so voller Geflügel, die sich mit den Händen fangen lassen, daß sie den Nachen vollzubekommen und mit Stecken totzuschlagen getraut hätten; von gemeldtem Teutschen glaubten sie, daß er irgends auf einem Schiff ein Übeltat begangen und dannenhero zur Straf auf diese Insel gesetzt worden; welches wir denn auch dafür hielten; überdas sagten sie für gewiß, daß der Kerl nicht bei sich selbst, sondern ein purer Narr sein müßte, als von welchem sie keine einzige richtige Red und Antwort haben mögen.
    Gleichwie nun durch diese Zeitung das ganze Schiffsvolk, insonderheit aber die Kranken herzlich erfreut wurden, also verlangt' auch jedermann aufs Land, sich wiederum zu erquicken; ich schickte derowegen einen Nachen voll nach dem andern hin, nit allein den Kranken ihre Gesundheit wieder zu erholen, sondern auch das Schiff mit frischem Wasser zu versehen, welches uns beides not war; also daß wir mehrenteils auf die Insel kamen; da fanden wir mehr ein irdisch Paradeis als einen öden unbekannten Ort! ich vermerkte auch gleich, daß bemeldter Teutscher kein solcher Tor sein müßte, viel weniger ein Übeltäter, wie die Unserigen anfangs dafür gehalten; denn alle Bäum, die von Art eine glatte Rinden trugen, hatte er mit biblischen und anderen schönen Sprüchen gezeichnet, seinen christlichen Geist dadurch aufzumuntern und das Gemüt zu Gott zu erheben; wo aber keine ganzen Sprüche stunden, da befanden sich wenigst die vier Buchstaben der Überschrift Christi am Kreuz, als INRI, oder der Name Jesu und Mariae, als irgends nur ein Instrument des Leidens Christi, daraus wir mutmaßeten, daß er ohne Zweifel ein Papist sein mußte, weil uns alles so päpstisch vorkam; da stund ›memento mori‹ auf Latein, dorten ›Ieschua Hanosri Melech Haijehudim‹ auf hebräisch, an einem andern Ort dergleichen etwas auf griechisch, teutsch, arabisch oder malaiisch (welche Sprach durch ganz Indien gehet) zu keinem anderen Ende, als sich der himmlischen göttlichen Dinge dabei christlich zu erinnern; wir fanden auch seines Kameraden Grabmal, davon dieser Teutsche selbst in seines Lebens Erzählung Meldung tut, nicht weniger auch das dritte Kreuz, welches sie beide am Ufer des Meers miteinander aufgerichtet, wessentwegen denn unser Schiffvolk den Ort (vornehmlich weil sie gleichsam an allen Bäumen auch Kreuz eingeschnitten funden) die Kreuz-Insel nannten; doch waren uns alle solche kurzen und sinnreichen Sprüch lauter räterisch und dunkele Oracula, aus denen wir aber gleichwohl abnehmen konnten, daß ihr Autor kein Narr, sondern ein sinnreicher Poet, insonderheit aber ein gottseliger Christ sein müßte, der viel mit Betrachtung himmlischer Dinge umgehe; folgender Reim, den wir auch in einem Baum eingeschnitten fanden, bedünkte unseren Siechentröster, der mit mir herumging und viel aufschrieb was er fand, der vornehmste zu sein, vielleicht weil er ihm was Neues war, er lautet also:
Ach allerhöchstes Gut! du wohnest so im finstern Licht!
Daß man vor Klarheit groß, den großen Glanz kann sehen nicht.
    Denn er, der Siechentröster, welcher ein überaus gelehrter Mann war, sagte: »So weit kommt ein Mensch auf dieser Welt und nicht höher, es wolle ihm denn Gott das höchste Gut aus Gnaden mehr offenbaren.«
    Indessen durchstrich meine gesunde Schiff-Bursch die ganze Insel, allerhand Erfrischung für sich und die Kranken zusammenzubringen und bemeldten Teutschen zu suchen, den alle Prinzipale des Schiffs zu sehen und mit ihm zu konferieren ein groß Verlangen trugen; sie trafen ihn dennoch nicht an, aber wohl ein ungeheure Höhle voller Wasser im Steinfelsen, darin sie schätzten, daß er sein müßte, weil ein ziemlich enger Fußpfad hineinging, in dieselbe konnte man aber wegen des darin stehenden Wassers und großer Finsternis nicht kommen; und wenn man gleich Fackeln und Pechring' anzündete, sich damit zu behelfen und die

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