Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
menschlichen Wesens Unbeständigkeit und anders mehr betrachtete, machte ich ihm folgende Grabschrift:
»Daß ich hier, und nicht ins Meer bin worden begraben,
Auch nit in d'Höll, macht daß um mich gestritten haben
Drei Ding! das erste der wütende Ozean!
Das zweit, der grausam Feind! der höllische Satan;
Diesen entrann ich durch Gottes Hilf aus meinen Nöten,
Aber vom Palmwein, dem dritten, ließ ich mich töten.«
Also wurde ich allein ein Herr der ganzen Insel und fing wiederum ein einsiedlerisches Leben an, wozu ich denn nit allein mehr als genugsame Gelegenheit, sondern auch ein steifen Willen und Vorsatz hatte; ich machte mir die Güter und Gaben dieses Orts zwar wohl zunutz, mit herzlicher Danksagung gegen Gott, als dessen Güte und Allmacht allein mir solche so reichlich bescheret hatte; befliß mich aber daneben, daß ich deren Überfluß nicht mißbrauchte. Ich wünschte oft, daß ehrliche Christenmenschen bei mir wären, die anderwärts Armut und Mangel leiden müssen, sich der gegenwärtigen Gaben Gottes zu gebrauchen; weil ich aber wohl wußte, daß Gott dem Allmächtigen mehr als möglich (dafern es anders sein göttlicher Will wär), mehr Menschen leichtlicher und wunderbarlicher Weis hieher zu versetzen, als ich hergebracht worden, gab mir solches oft Ursach, ihm um seine göttliche Vorsehung und daß er mich so väterlich vor andern viel tausend Menschen versorgt und in einen solchen geruhigen friedsamen Stand gesetzt hatte, demütig zu danken.
Das 23. Kapitel
Der Monachus beschließt seine Histori und macht diesen sechs Büchern das Ende
Mein Kamerad war noch keine Woch tot gewesen, als ich ein Ungeheuer um meine Wohnung herum vermerkte. »Nun wohlan«, gedachte ich, »Simplici, du bist allein, sollt dich nicht der böse Geist zu vexiern unterstehen? vermeinest du nicht, dieser Schadefroh werde dir dein Leben saur machen; was fragst du aber nach ihm, wenn du Gott zum Freunde hast? du mußt nur etwas haben, das dich übet, denn sonst würde dich Müßiggang und Überfluß zu Fall stürzen; hast du doch ohne diesen sonst niemand zum Feind als dich selbsten und dieser Insel Überfluß und Lustbarkeit, drum mach dich nur gefaßt zu streiten, mit demjenigen der sich am allerstärksten zu sein bedünkt; wird derselbige durch Gottes Hilf überwunden, so würdest du ja, ob Gott will, vermittelst dessen Gnad auch dein eigner Meister verbleiben.«
Mit solchen Gedanken ging ich ein paar Tag um, welche mich um ein ziemlichs besserten und andächtig machten; weil ich mich einer Rencontra versah, die ich ohnzweifel mit dem bösen Geist ausstehen müßte, aber ich betrog mich für diesmal selbsten; denn als ich an einem Abend abermal etwas vermerkte, das sich hören ließ, ging ich vor meine Hütte, welche zunächst an einem Felsen des Gebirgs stund, worunter die Hauptquell des süßen Wassers, das vom Gebirg durch diese Insel ins Meer rinnet; da sah ich meinen Kameraden an der steinen Wand stehen, wie er mit den Fingern in deren Spalt grübelte; ich erschrak, wie leicht zu gedenken, doch faßte ich stracks wieder ein Herz, befahl mich mit Bezeichnung des heiligen Kreuzes in Gottes Schutz, und dachte: »Es muß doch einmal sein, besser ists heut als morgen«; ging darauf zum Geist und brauchte gegen ihn diejenigen Wort, die man in solchen Begebenheiten zu reden pflegt; da verstund ich alsobald, daß es mein verstorbener Kamerad war, welcher bei seinen Lebzeiten seine Dukaten dorthin verborgen hatte, der Meinung, wenn etwa über kurz oder lang ein Schiff an die Insel kommen würde, daß er alsdann solche wieder erheben und mit sich davonnehmen wollte; er gab mir auch zu verstehen, daß er auf dies wenige Geld, als dadurch er wieder nach Haus zu kommen verhoffet, sich mehr als auf Gott verlassen, wessentwegen er denn mit solcher Unruhe nach seinem Tod büßen, und mir auch wider seinen Willen Ungelegenheit machen müssen; ich nahm auf sein Begehren das Geld heraus, achtete es aber weniger als nichts; welches man mir desto ehender glauben kann, weil ichs auch zu nichts zu gebrauchen wußte; dieses nun war der erste Schreck, den ich einnahm, seit ich mich allein befand; aber nachgehends wurde mir wohl von anderen Geistern zugesetzt als dieser einer gewesen; davon ich aber weiters nichts melden, sondern nur noch dieses sagen will, daß ich vermittelst göttlicher Hilf und Gnad dahin kam, daß ich keinen einzigen Feind mehr spürete, als meine eignen Gedanken, die oft gar variabel stunden; denn diese
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