Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Gewalt zu bringen, es geschehe gleich mit Güte oder Gewalt; gingen demnach wieder mit Fackelen, Pechkränzen und Lichtern in Laternen in obgenannte Höhle, es ging uns aber wieder, wie es zuvor den andern ergangen war, daß wir nämlich kein Licht hineinbringen, und also auch selbst vor Wasser, Finsternis und scharfen Felsen nicht fürders kommen konnten, ob wir zwar solches oft probierten; da fing ein Teil an aus uns zu beten, das andere aber vielmehr zu schwören, und wußten wir nicht, was wir zu diesen unsern Ängsten tun oder lassen sollten.
Da wir nun so in der finsteren Höhlen stunden und wußten nicht wo aus noch ein, maßen jeder nichts anders tat, als daß er lamentierte, hörten wir noch weit von uns den Teutschen uns folgendergestalt aus der finstern Höhle zuschreien: »Ihr Herrn«, sagte er, »was bemühet ihr euch umsonst zu mir oder sonst hereinzukommen? sehet ihr denn nicht, daß es eine pure Unmöglichkeit ist? wenn ihr euch mit den Erfrischungen, die euch Gott auf dem Land bescheret, nicht vergnügen lassen, sondern an mir, einem nackenden armen Mann, der nichts als das Leben hat, reich werden wollet, so versichere ich euch, daß ihr leer Stroh dreschet; darum bitte ich euch um Christi unsers Erlösers willen, laßt ab von eurem Beginnen, genießet gleichwohl die Früchte des Lands zu eurer Erfrischung und laßt mich in dieser meiner Sicherheit, dahin mich euere beinahe tyrannischen und sonst bedrohenlichen Reden (die ich gestern in meiner Hütten vernehmen müssen) zu fliehen verursacht, mit Frieden, ehe ihr (da der liebe Gott vor sein wolle) darüber in Unglück kommt.« Da war nun guter Rat teuer; aber unser Siechentröster schrie ihm hinwider zu und sagte: »Hat Euch gestern jemand molestiert, so ists uns von Grund unsers Herzens leid, es ist vom groben Schiffvolk geschehen, das von keiner Diskretion nichts weiß; wir kommen nicht, Euch zu plündern noch Beut zu machen, sondern nur um Rat zu bitten, wie den Unserigen wieder zu helfen sei, die mehrenteils auf dieser Insel ihre Sinne verloren; ohnedas wir auch gern mit Euch als einem Christen und Landsmann reden, Euch dem letzten Gebot unsers Erlösers gemäß alle Lieb, Ehr, Treu und Freundschaft erweisen und wenns Euch beliebt, wieder mit uns in Euer Vaterland heimfahren möchten.«
Hierauf kriegten wir zur Antwort, er hätte gestern zwar wohl vernommen, wie wir gegen ihn gesinnet wären; doch wollt er dem Gesetz unsers Heilands zufolg Böses mit Gutem bezahlen und uns nicht verhalten, wie den Unserigen wieder von ihrem unsinnigen Wahnwitz zu helfen sei; wir sollten, sagte er, diejenigen, so mit solchem Zustand behaftet wären, nur von den Pflaumen, darin sie ihren Verstand verfressen, die Kernen essen lassen, so würde es sich mit allen in einem Augenblick wieder bessern, welches wir ohne seinen Rat an den Pfirsichen hätten abnehmen sollen, als an welchen die hitzigen Kern, wenn man sie mitgenieße, die schädliche Kälte des Pfirsichs selbst hintertreiben; dafern wir auch vielleicht die Bäum, so solche Pflaumen trügen, nicht kennen würden, so sollten wir nur Achtung geben, an welchem geschrieben stünde:
»Verwunder dich über meine Natur,
Ich mach es wie Circe, die zaubrisch Hur.«
Durch diese Antwort und des Teutschen erste Red konnten wir uns wohl versichert halten, daß er von den Unserigen, so wir erstmals auf die Insel gesandt, erschreckt und gemüßigt worden, in diese Höhle sich zu retirieren; item daß er ein Kerl von rechtschaffnem teutschem Gemüt sein müßte, weil er uns, ohnangesehen er von den Unserigen molestiert worden, nichtsdestoweniger anzeigte, durch was die Unserigen ihre Sinne verloren und wodurch sie wieder zurechtgebracht werden möchten; da bedachten wir erst mit höchster Reu, was für böse Gedanken und falsches Urteil wir von ihm gefaßt und dessentwegen zu billiger Straf in diese gefährliche finstere Höhle geraten wären, aus welcher ohne Licht zu kommen unmöglich zu sein schien, weil wir uns viel zu weit hinein vertieft hatten; derowegen erhub unser Siechentröster seine Stimm wiederum ganz erbärmlich und sagte: »Ach redlicher Landsmann! diejenigen, so Euch gestern mit ihren ungeschliffenen Reden beleidigt haben, sind grobe, und zwar die ungeschliffensten Leut von unserem Schiffe gewesen; hingegen stehet jetzt hier der Capitain samt den vornehmsten Offiziern, Euch wiederum um Verzeihung zu bitten, Euch freundlich zu begrüßen und zu traktiern, auch mitzuteilen, was etwa in unserem Vermögen
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