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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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mich so dumm anließe, wieder für den Teufel hinjage.
    Inzwischen als mein Herr so über mich klagte, sammleten sich die Gäst nach und nach, da er aber ausgeredet hatte, antwort der Pfarrer: Wenn ihm der Herr Gouverneur ein kleine Zeit mit ein wenig Geduld zuzuhören beliebte, so wollte er von Simplicio der Sachen halber eines und anders erzählen, daraus nicht allein seine Unschuld zu vernehmen sein, sondern auch denen, so sich seines Verhaltens halber disgustiert befinden wollten, alle ungleichen Gedanken benommen würden.
    Als man dergestalt oben in der Stuben von mir redete, akkordierte der tolle Fähnrich, den ich an meine Stell selbander eingesperrt hatte, unten mit mir in der Küchen, und brachte mich durch Drohwort und einen Taler, den er mir zusteckte, dahin, daß ich ihm versprach, von seinen Händeln reinen Mund zu halten.
    Die Tafeln wurden gedeckt, und wie den vorigen Tag mit Speisen und Leuten besetzt, Wermut-, Salbei-, Alant-, Quitten- und Zitronenwein mußte neben dem Hippokras den Säufern ihre Köpf und Mägen wieder begütigen, denn sie waren schier alle des Teufels Märtyrer. Ihr erstes Gespräch war von ihnen selbsten, nämlich wie sie gestern einander so brav vollgesoffen hätten, und war doch keiner unter ihnen, der gründlich gestehen wollte, daß er voll gewesen, wiewohl den Abend zuvor teils bei Teufelholen geschworen, sie könnten nicht mehr saufen, auch ›Wein mein Herr!‹ geschrien und geschrien hatten. Etliche zwar sagten, sie hätten gute Räusch gehabt, andere aber bekenneten, daß sich keiner mehr vollsöffe, seit die Räusch aufkommen. Als sie aber von ihren eigenen Torheiten beides zu reden und zu hören müd waren, mußte sich der arme Simplicius leiden: Der Gouverneur selbst erinnerte den Pfarrer, die lustigen Sachen zu eröffnen, wie er versprochen hätte.
    Dieser bat zuvörderst, man wollte ihm nichts für ungut halten, dafern er etwa Wörter reden müßte, die seiner geistlichen Person übel anständig zu sein vermerkt würden; fing darauf an zu erzählen, erstlich aus was für natürlichen Ursachen mich die Leibesdünste zu plagen pflegten, was ich durch solche dem Secretario für eine Unlust in die Kanzlei angerichtet; was ich neben dem Wahrsagen für ein Kunst dawider gelernet, und wie schlimm solche in der Prob bestanden; item wie seltsam mir das Tanzen vorkommen, weil ich dergleichen niemalen gesehen, was ich für Bericht deshalber von meinem Kameraden eingenommen, welcher Ursachen halber ich dann die vornehme Dame ergriffen, und darüber in Gänsstall kommen. Solches aber brachte er mit einer wohlanständigen Art zu reden vor, daß sie sich trefflich zerlachen mußten, entschuldigt' dabei meine Einfalt und Unwissenheit so bescheidentlich, daß ich wieder in meines Herrn Gnad kam und vor der Tafel aufwarten durfte, aber von dem was mir im Gänsstall begegnet, und wie ich wieder daraus erlöst worden, wollte er nichts sagen, weil ihn bedünkte, es hätten sich an seiner Person etliche saturnische Holzböck geärgert, die da vermeinten, Geistliche sollten nur immer sauer sehen; hingegen fragte mich mein Herr, seinen Gästen ein Spaß zu machen, was ich meinem Kameraden geben hätte, daß er mich so saubere Künste gelehret? und als ich antwortet »nichts!« sagte er: »So will ich ihm das Lehrgeld für dich bezahlen«, wie er ihn denn hierauf in ein Futterwanne spannen und allerdings karbeitschen ließ, wie man mirs den vorigen Tag gemacht, als ich die Kunst probiert und falsch befunden hatte.
    Mein Herr hatte nunmehr genug Nachricht von meiner Einfalt, wollte mich derowegen stimmen, ihm und seinen Gästen mehr Lust zu machen, er sah wohl, daß die Musikanten nichts galten, solang man mich unterhanden haben würde, denn ich bedünkte mit meinen närrischen Einfällen jedermann, über siebzehn Lauten zu sein. Er fragte, warum ich die Tür an dem Gänsstall zerschnitten hätte? Ich antwortet: »Das mag jemand anders getan haben.« Er fragte: »Wer denn?« Ich sagte: »Vielleicht der, so zu mir kommen.« »Wer ist denn zu dir kommen?« Ich antwortet: »Das darf ich niemand sagen.« Mein Herr war ein geschwinder Kopf, und sah wohl, wie man mir lausen mußte, derowegen übereilt' er mich, und fragte, wer mir solches denn verboten hätte? Ich antwortet gleich: »Der tolle Fähnrich« -. und demnach ich an jedermanns Gelächter merkete, daß ich mich gewaltig verhauen haben müßte, der tolle Fähnrich, so mit am Tisch saß, auch so rot wurde wie ein glühende Kohl; also wollte

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