Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
meine Kleider an Leib, ich aber stellte mich, als wenn ich sie für rechte natürliche Teufel gehalten hätte, verführte ein jämmerliches Zetergeschrei und ließ die allerfurchtsamsten Gebärden erscheinen; aber sie verkündigten mir, daß ich mit ihnen fort müßte, hierauf verbanden sie mir den Kopf mit einer Handzwell, daß ich weder hören, sehen noch schreien konnte: Sie führten mich unterschiedliche Umweg, viel Stiegen auf und ab und endlich in einen Keller, darin ein großes Feuer brannte, und nachdem sie mir die Handzwell wieder abgebunden, fingen sie an mir in spanischem Wein und Malvasier zuzutrinken. Sie hatten mich gut überreden, ich wäre gestorben und nunmehr im Abgrund der Höllen, weil ich mich mit Fleiß also stellete, als wenn ich alles glaubte, was sie mir vorlogen: »Saufe nur tapfer zu«, sagten sie, »weil du doch ewig bei uns bleiben mußt, willst aber nicht ein gut Gesell sein und mitmachen, so mußt du in gegenwärtiges Feur.« Die armen Teufel wollten ihre Sprach und Stimm verquanten, damit ich sie nicht kennen sollte, ich merkte aber gleich, daß es meines Herrn Furierschützen waren, doch ließ ichs mich nicht merken, sondern lachte in die Faust, daß diese, so mich zum Narren machen sollten, meine Narren sein mußten. Ich trank meinen Teil mit vom spanischen Wein, sie aber soffen mehr als ich, weil solcher himmlischer Nektar selten an solche Gesellen kommt, maßen ich noch schwören dürfte, daß sie eher voll worden als ich; da michs aber Zeit zu sein bedünkte, stellte ich mich mit Hin- und Hertorkeln, wie ichs neulich an meines Herrn Gästen gesehen hatte; und wollte endlich gar nicht mehr saufen, sondern schlafen, hingegen jagten und stießen sie mich mit ihrem Hacken, den sie allezeit im Feuer liegen hatten, in allen Ecken des Kellers herum, daß es sah, als ob sie selbst närrisch worden wären, entweder daß ich mehr trinken oder aufs wenigste nicht schlafen sollte, und wenn ich in solcher Hatz niederfiel, wie ich denn oft mit Fleiß tat, so packten sie mich wieder auf und stellten sich, als wenn sie mich ins Feuer werfen wollten: also ging mirs wie einem Falken dem man wacht, welches mein großes Kreuz war. Ich hätte sie zwar Trunkenheit und Schlafs halber wohl ausgedauret, aber sie verblieben nicht allweg beieinander, sondern lösten sich untereinander ab, darum hätte ich zuletzt den kürzern ziehen müssen: Drei Tag und zwo Nächt hab ich in diesem raucherichten Keller zubracht, welcher kein ander Licht hatte, als was das Feur von sich gab, der Kopf fing mir dahero an zu brausen und zu wüten, als ob er zerreißen wollte, daß ich endlich einen Fund ersinnen mußte, mich meiner Qual samt den Peinigern zu entledigen, ich machte es wie der Fuchs, welcher den Hunden ins Gesicht harnt, wenn er ihnen nicht mehr zu entrinnen getraut, denn weil mich eben die Natur trieb, meine Notdurft (s. v.) zu tun, bewegte ich mich zugleich mit einem Finger im Hals zum Unwillen, dergestalt daß ich mit einem unleidenlichen Gestank die Zech bezahlte, also daß auch meine Teufel selbst schier nicht mehr bei mir bleiben konnten; damals legten sie mich in ein Leilach, und zerplotzten mich so unbarmherzig, daß mir alle innerlichen Glieder samt der Seelen heraus hätten fahren mögen. Wovon ich dermaßen aus mir selber kam und des Gebrauchs meiner Sinnen beraubt wurde, daß ich gleichsam wie tot dalag, ich weiß auch nicht was sie ferners mit mir gemacht haben, so gar war ich allerdings dahin.
Das 6. Kapitel
Simplicius kommt in Himmel, und wird in ein Kalb verwandelt
Als ich wieder zu mir selber kam, befand ich mich nicht mehr in dem öden Keller bei den Teufeln, sondern in einem schönen Saal, unter den Händen dreier der allergarstigsten alten Weiber, so der Erdboden je getragen; ich hielt sie anfänglich, als ich die Augen ein wenig öffnete, für natürliche höllische Geister, hätte ich aber die alten heidnischen Poeten schon gelesen gehabt, so hätte ich sie für die Eumenides oder wenigst die eine eigentlich für die Tisiphone gehalten, welche mich wie den Athamantem meiner Sinn zu berauben aus der Höllen ankommen wäre, weil ich zuvor wohl wußte, daß ich darum da war, zum Narren zu werden: Diese hatte ein paar Augen wie zween Irrwisch, und zwischen denselben eine lange magere Habichtsnas, deren Ende oder Spitz die untere Lefzen allerdings erreichte, nur zween Zähn sah ich in ihrem Maul, sie waren aber so vollkommen, lang, rund und dick, daß sich jeder beinahe der Gestalt nach mit
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