Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
bitt nur um ein paar Wort, meines Lebens End betreffend, mit Versicherung, wenn solches etwas Böses sein sollte, daß ich des Herrn Red als ein Warnung von Gott annehmen will, um mich desto besser vorzusehen, darum bitte ich um Gottes willen, der Herr wolle mir die Wahrheit nicht verschweigen!« Der redliche Alte antwortet' ihm hierauf kurz, und sagte: »Nun wohlan, so sehe sich der Herr denn wohl vor, damit er nicht in dieser Stunde noch aufgehenkt werde.« »Was, du alter Schelm«, sagte der Leutnant, der eben einen rechten Hundssoff hatte, »sollest du einem Kavalier solche Worte vorhalten dürfen?« zog damit von Leder, und stach meinen lieben alten Herzbruder im Bett zu Tod! Ich und der Fourierschütz ruften alsbald Lärmen und Mordio, also daß alles dem Gewehr zulief, der Leutnant aber machte sich unverweilt auf seinen Schnellfuß, wäre auch ohne Zweifel entritten, wenn nicht eben der Kurfürst in Sachsen mit vielen Pferden persönlich vorbeigeritten wäre und ihn hätte einholen lassen: Als derselbe den Handel vernahm, wendet' er sich zu dem von Hatzfeld, als unserm General, und sagte nichts anders als dieses: »Das wäre eine schlechte Disziplin in einem kaiserlichen Lager, wenn auch ein Kranker im Bett vor den Mördern seines Lebens nicht sicher sein sollte!« Das war ein scharfe Sentenz, und genugsam, den Leutnant um das Leben zu bringen; gestalt ihn unser General alsbald an seinen allerbesten Hals aufhenken ließ.
Das 25. Kapitel
Simplicius wird aus einem Jüngling in ein Jungfrau verwandelt, und bekommt unterschiedliche Buhlschaften
Aus dieser wahrhaftigen Histori ist zu sehen, daß nicht sogleich alle Wahrsagungen zu verwerfen seien, wie etliche Gecken tun, die gar nichts glauben können. So kann man auch hieraus abnehmen, daß der Mensch sein aufgesetztes Ziel schwerlich überschreiten mag, wenn ihm gleich sein Unglück lang oder kurz zuvor durch dergleichen Weissagungen angedeutet worden. Auf die Frag, die sich ereignen möchte, obs einem Menschen nötig, nützlich und gut sei, daß er sich wahrsagen und die Nativität stellen lasse? antworte ich allein dieses, daß mir der alte Herzbruder soviel gesagt habe, daß ich oft gewünschet und noch wünsche, daß er geschwiegen hätte, denn die unglücklichen Fäll, die er mir angezeigt, hab ich niemals umgehen können, und diejenigen die mir noch bevorstehen, machen mir nur vergeblich graue Haar, weil mir besorglich dieselbigen auch wie die vorigen zuhanden gehen werden, ich sehe mich gleich vor denselben vor oder nicht: Was aber die Glücksfälle anbelangt, von denen einem geweissaget wird, davon halte ich, daß sie öfter betrügen oder aufs wenigste den Menschen nicht so wohl gedeihen als die unglückseligen Prophezeihungen: Was half michs, daß mir der alte Herzbruder hoch und teur schwur, ich wäre von edlen Eltern geboren und erzogen worden, da ich doch von niemand anders wußte als von meinem Knan und meiner Meuder, die grobe Baursleut im Spessart waren. Item was halfs den von Wallenstein, Herzogen in Friedland, daß ihm prophezeit wurde, er werde gleichsam mit Saitenspiel zum König gekrönet werden? weiß man nicht, wie er zu Eger eingewieget worden? Mögen derowegen andere ihre Köpf über dieser Frag zerbrechen, ich komme wieder auf meine Histori.
Als ich erzähltermaßen meine beiden Herzbrüder verloren hatte, verleidet' mir das ganze Lager vor Magdeburg, welches ich ohnedas nur eine leinene und stroherne Stadt mit irdenen Mauren zu nennen pflegte. Ich wurde meines Stands so müd und satt, als wenn ichs mit lauter eisernen Kochlöffeln gefressen hätte, einmal, ich gedachte mich nicht mehr von jedermann so foppen zu lassen, sondern meines Narrnkleids loszuwerden und sollte ich gleich Leib und Leben darüber verlieren. Das setzte ich folgendergestalt sehr liederlich ins Werk, weil mir sonst keine bessere Gelegenheit anstehen wollte.
Olivier der Secretarius, welcher nach des alten Herzbruders Tod mein Hofmeister worden war, erlaubte mir oft mit den Knechten auf Fourage zu reiten; als wir nun einsmals in ein groß Dorf kamen, darinnen etliche den Reutern zuständige Bagage logierte, und jeder hin und wieder in die Häuser ging, zu suchen was etwa mitzunehmen wäre, stahl ich mich auch hinweg und suchte, ob ich nicht ein altes Baurenkleid finden möchte, um welches ich meine Narrnkappe vertauschen könnte; aber ich fand nicht was ich wollte, sondern mußte mit einem Weiberkleid vorlieb nehmen; ich zog selbiges an, weil ich mich allein sah,
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