Der Abgrund Kommissar Morry
brauchst du nicht mehr zu hoffen. Den hat bereits das gleiche Schicksal ereilt. Er wartet, gut verpackt, vor dem Eingang auf seinen lieben Freund."
Das war natürlich nur Bluff, denn dieser Salk Flenker konnte trotz seines betrunkenen Zustandes jeden Augenblick auftauchen. Aber die kühne Behauptung verfehlte ihre Wirkung auf den unentwegt ins Licht blinzelnden Jo Siskin nicht.
Er sackte sichtlich in sich zusammen.
„Was wollt ihr von uns?" knurrte er mürrisch, aber seine Lippen bebten vor Furcht.
„Nicht viel, Siskin! — Wer hat euch den Auftrag geben, Samuel Barrone nach hier zu verschleppen? Rede! Nur dadurch kannst du deine jetzige Lage vielleicht erleichtern", sagte Leester Brighward.
Deutlich hatte er erkannt, daß Jo Siskin weich zu werden begann und nur noch nach einem Weg suchte, selbst möglichst ungeschoren aus seiner heiklen Lage zu kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte der Gangster seinen Gegner Leester Brighward noch nicht erkannt. Alec Grangas war ihm ein Fremder. So glaubte er offenbar, Männer der Police vor sich zu haben. Die folgende Frage des Gangsters bestätigte Leester Brighwards Vermutung.
„Warum wollt ihr Schnüffler das wissen?"
„Nun, wir suchen den Kopf des Unternehmens. An euch kleinen Handlangem ist uns weniger gelegen, denn wir wollen nicht die kleinen Fische, sondern eben den großen abliefern!"
Leester Brighward spielte die Rolle eines Teck weiter. Und er hatte damit Erfolg!
„Wenn ihr mich laufen laßt, rede ich!"
„Wenn du die Wahrheit sagst, läßt sich darüber vielleicht reden!" Leester Brighward konnte nur noch mit Anstrengung einen in ihm aufsteigenden Lachreiz unterdrücken.
So waren sie alle! Hatten sie erst Angst um ihr armes Leben, dann verrieten sie unter Umständen ihren eigenen Bruder. Und Jo Siskin, der sonst so starke Mann, redete und redete, um seine vermeintlich hier in Gefahr befindliche Haut zu retten.
„Bill Skoopay hat jedem von uns hundert Pfund Sterling geboten, damit wir Barrone für den Rest der Woche an einen sicheren Platz brächten und ihn dort festhielten", platzte er heraus.
„Und was ist mit den fünftausend Pfund Lösegeld, die du aus dem Mann herausquetschen wolltest?"
„Das ist . . . das ist nur ein Trick, um ihn zu täuschen."
„Warum?"
„Ich weiß es nicht genau. Skoopay trug es uns auf; wir haben nur das ausgeführt, was er von uns verlangt hat, mehr nicht."
Eine kurze Pause trat nach diesen Worten in dem Frage- und Antwortspiel im Gang des ehemaligen Getreidesilos ein. Leester Brighward fühlte, es sei nun Zeit, die für sie erfolgreiche Unterredung mit dem niedergeschlagenen und vor Angst zitternden Gangster abzubrechen. Sie wußten nun, wer der Mann war, der sich so sehr für das geheimnisumwitterte Belvaria-Hotel interessierte.
Mehr wollten sie ja gar nicht erreichen. Was Brighward jetzt tat, fand nicht die Zustimmung Alec Grangas. Es war in jeder Beziehung ein riskantes Spiel, als Brighward den Gangster aufforderte, die Nacht in dem Raume zu verbringen, der Samuel Barrone als Gefängnis diente.
„Es hängt ganz von dir ab, ob du ungeschoren bleibst", sagte Brighward langsam. „Passiert Barrone in dieser Nacht etwas, dann wirst du dafür büßen müssen. Wenn morgen früh die Tür wieder geöffnet wird, läßt du Barrone ungehindert gehen. Ist das klar?"
Nach dieser für Grangas unverständlichen Anweisung an den Gangster riegelte Leester Brighward das Gefängnis des Hoteliers auf und schob den verdutzt dreinschauenden Jo Siskin hinein. Sogleich schob Leester wieder den Riegel vor und verließ eilig den Gang. Lange schritten die beiden Männer schweigend nebeneinander her. Als sie das dunkel und unfreundliche Gebiet am Lime-Kiln-Dock schon weit hinter sich gelassen hatten, brach endlich Alec Grangas das lastende Schweigen:
„Leester, ich verstehe dich nicht! Warum hast du das gemacht? Warum hast du diesen Verdammten Jo Siskin, diesen Gangster, mit Samuel Barrone allein in dem Raum zurückgelassen? Wenn Samuel Barrone etwas zustößt, sind ganz allein wir beide schuld daran."
Lächelnd sah der Gefragte seinen Begleiter von der Seite an.
„Das mag sein!" Er tat völlig unbeteiligt und marschierte ohne eine weitere Erklärung weiter.
Alec Grangas war wegen des sonderbaren Benehmens seines Begleiters ziemlich ärgerlich. Immer und immer wieder stellte er sich im Geiste vor, was sich wohl in diesen Minuten in dem Getreidesilo abspielen werde. Grangas brachte es einfach nicht fertig, sich auch nur
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