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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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schwer war, dass sie ein Stechen im Nacken verursachte, gefolgt von derartigen Kopfschmerzen, dass sie einen den Schmerz im Nacken glatt vergessen ließen. Web hielt beim Blick durch die Brille stets ein Auge geschlossen, auch wenn das die Tiefenwahrnehmung verzerrte. Aber wenn man das nicht tat, sah man, wenn man die Brille wieder abnahm, in beiden Augen einen leuchtenden, orangefarbenen Ball. Und in diesem Zustand konnte einen ein Neunzigjähriger im Rollstuhl abknallen.
    Als Scharfschütze brauchte man verschiedene Ausrüstungsgegenstände, um den Job zu erledigen, von der modernsten Technik bis hin zur ältesten überhaupt: der Tarnung. Web sehnte sich nach seinem Ghillie-Anzug, einer Mischung aus Leinen und Cordura, den er sorgfältig mit Tierexkrementen und anderen üblen Substanzen beschmiert hatte, damit er mit einer unwegsamen Wald- oder Dschungelumgebung verschmolz. Jeder Scharfschütze vom HRT gab seinem Ghillie seine eigene Note, und Web hatte Jahre damit verbracht, seinen zu verbessern, indem er ihn immer stärker verschmutzte. Der Ghillie war ursprünglich vor mehr als vierhundert Jahren von den Schotten entwickelt worden, im Verlauf der zahllosen Guerillakriege gegen ihre Eroberer. Er funktionierte heute noch genauso gut wie damals. Web hatte im Dschungel Zentralamerikas in seinem Ghillie gelegen, umringt von Drogenhändlern mit Maschinenpistolen, die erst gemerkt hatten, dass er da war, als er ihnen seine Waffe in den Rücken drückte und ihre Rechte vorlas.
    Er ging weiter und schaltete das Nachtsichtgerät dann auf Infrarot-Modus. Eine interne Lichtquelle blendete sich ein und erweiterte das Sichtfeld enorm. Web wollte sich vergewissern, dass das Gerät auch funktionierte; die Batterien der Nachtsichtgeräte waren dafür bekannt, genau dann leer zu werden, wenn man die Dinger am dringendsten brauchte. Er mochte es nicht, das Infrarot längere Zeit über zu benutzen, denn es hatte einen großen Nachteil. Für jeden, der ihn mit einem Nachtsichtgerät beobachtete, strahlte der InfrarotVerstärker wie ein Leuchtfeuer, als hielte man ihm eine große Taschenlampe mitten vors Gesicht. Web war damit eine hervorragende Zielscheibe.
    Er knipste den Infrarotverstärker aus und verstaute ihn wieder in seinem Rucksack. Besser war es, sich so weit wie möglich auf seine eigenen Augen zu verlassen, wie bei jedem Schuss, den er bislang abgegeben hatte. Manchmal konnte man die Natur einfach nicht übertreffen.
    Die Luft war frisch, und von der Farm und aus den umgebenden Wäldern ertönten vielerlei Geräusche. Web legte ein gutes Tempo vor und erreichte den Wachturm in einer beneidenswerten Zeit. Schön zu wissen, dass er noch immer einigermaßen in Form war. Nach acht Jahren unaufhörlichen Trainings verlor man in kurzer Zeit wohl nicht gleich wieder alles. Er mochte den Wald in der Dunkelheit; ihm kam er genauso vertraut vor wie dem durchschnittlichen Amerikaner ein Fernsehsessel mit Großbildschirmgerät.
    Er erblickte den Wachturm und blieb stehen. Da er kein Handy hatte, legte er die Hände vor den Mund, bildete damit eine eigenartige Höhlung und stieß den Schrei aus, jenes Signal, das er und Romano als Scharfschützen benutzt hatten. Es hätte genauso gut ein Windstoß, aber auch ein Vogel sein können, wie er überall vorkam. Web war sicher, dass Romano sich erinnern würde, und nur ein paar Sekunden später hörte er den Antwortruf. Alles in Ordnung.
    Web verließ den Wald, lief zum Wachturm, ergriff die hölzernen Sprossen und kletterte leise hinauf. Romano begrüßte ihn an der kleinen Falltür im Boden der Plattform. Web wusste, dass Romano die neuen Verletzungen nicht sehen konnte, die Toona und Big F ihm beigebracht hatten, und das war ihm ganz recht, denn im Augenblick wollte er keine Zeit damit verschwenden, alles zu erklären. Und Romano würde ihm deshalb natürlich schwer zusetzen. Er konnte ihn schon reden hören: Verdammt, du hast zugelassen, dass sie das mit dir anstellen?
    Web sah zu, wie Romano ein Litton-Fernglas mit zehnfacher Vergrößerung hervorholte, das normalerweise auf einem 308er- Scharfschützengewehr montiert war.
    »Irgendwas Interessantes?«, fragte Web.
    »Sieh dir das mal an, genau in der Lücke zwischen den Bäumen im Nordwesten.«
    Web sah durch das Fernglas. »Ich schätze, ich schaue auf Southern Belle.«
    »Dort gehen höchst interessante Dinge vor, für eine Pferdefarm.«
    Web richtete das Fernglas an seinem Auge aus und spähte hindurch. Da war tatsächlich eine

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