Der Abgrund
sich die Zeit zu vertreiben, und wegen des schieren Trostes, Gottes Sohn ganz nah bei sich zu haben. Vielleicht würde der liebe Gott die Nachricht verstehen und ein Paar Schutzengel herunterschicken, um einem gewissen Kevin Westbrook zu helfen, der dringend Hilfe benötigte, sei sie nun göttlicher oder anderer Natur.
»Das ist echt gut, Kevin. Du hast wirklich Talent.«
Er sah sich ein anderes Bild an und hielt es hoch. »Was ist das?«
»Mein Bruder, wie er mir vorliest.«
Seine Pistole lag auf dem Nachttisch, seine Männer draußen vor dem Zimmer waren ebenfalls bewaffnet, und sein Bruder Francis legte einen dicken Arm um Kevin und drückte ihn an seine massige Brust, und sie saßen da und lasen bis tief in die Nacht, bis Kevin einschlief. Und dann wachte er morgens auf, und all die Männer waren weg, und sein Bruder auch. Aber die Stelle, an der sie zu lesen aufgehört hatten, war markiert. Es war ein sicheres Zeichen, dass sein Bruder vorhatte, zurückzukommen und ihm die Geschichte weiter vorzulesen.
Der Mann schaute überrascht drein. »Er hat dir vorgelesen?«
Kevin nickte. »Ja, warum nicht? Hat Ihnen denn niemand vorgelesen, als Sie noch klein waren?«
»Nein«, erwiderte er. Er legte das Notizbuch zurück auf den Tisch. »Wie alt bist du, Kevin?«
»Zehn.«
»Das ist ein gutes Alter. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Ich wünschte, bei mir wäre es auch so.«
»Lassen Sie mich jemals laufen?«
Der Blick des Mannes reduzierte Kevins Hoffnungen auf null. »Ich mag dich, Kevin. Du erinnerst mich irgendwie an mich selbst, als ich noch klein war. Ich hatte auch irgendwie keine richtige Familie.«
»Ich habe meinen Bruder!«
»Ich weiß. Aber ich rede von einem normalen Leben, verstehst du, mit Mommy und Daddy und Schwestern und Brüdern, die alle im selben Haus wohnen.«
»Was für einige Leute normal ist, muss nicht für alle normal sein.«
Der Mann grinste und schüttelte den Kopf. »Du bist ganz schön klug für dein Alter. Ich schätze, wenn man es genau betrachtet, ist gar nichts im Leben normal.«
»Sie kennen meinen Bruder. Mit dem sollte man keine Späße machen.«
»Ich kenne ihn nicht persönlich, aber wir machen ein paar Geschäfte zusammen. Und ich hab mir schon gedacht, dass man mit ihm besser keine Späße macht; danke für den Rat. Aber die Sache ist die, gerade jetzt arbeiten wir irgendwie zusammen. Ich hatte ihn wirklich nett darum gebeten, etwas für mich zu erledigen, was mit diesem Web London zu tun hat, und er hat es getan.«
»Ich wette, er hat es getan, weil Sie ihm gesagt haben, dass Sie mich haben. Er tut es, weil er nicht will, dass mir was passiert.«
»Da bin ich mir sicher, Kevin. Aber weißt du, wir werden ihm jetzt auch einen Gefallen tun. Es gibt da Leute, die ihm sehr nahe stehen und die sich in seine Geschäfte mischen wollen. Wir werden ihm da raushelfen.«
»Warum wollen Sie ihm helfen?«, fragte Kevin misstrauisch. »Was ist für Sie drin?«
Der Mann lachte. »He, wenn du nur etwas älter wärest, würde ich dich zu meinem Partner machen. Na ja, drücken wir es mal so aus. Jeder hat halt etwas davon.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Lassen Sie mich laufen?«
Der Mann stand auf und ging zur Tür. »Bleib du mal schön hier drin, Kev. Gut Ding will Weile haben.«
KAPITEL 36
Als Web wieder im Kutschenhaus war, rief er Bates an, klingelte ihn aus dem Bett und erzählte ihm von seiner gewalttätigen Begegnung mit Big F. Er erzählte ihm auch von seinem Treffen mit Cove. Eine Stunde später traf er sich mit Bates und einem Agententeam auf dem Hof im Südosten von D.C. Die Sonne ging gerade auf, und Web konnte nur den Kopf schütteln. Er hatte noch nicht geschlafen, und schon begann ein neuer Arbeitstag. Bates gab ihm ein neues Handy als Ersatz für das Gerät, das Westbrooks Mann zertrümmert hatte. Es hatte die gleiche Telefonnummer; das war schon mal ganz angenehm.
Web bedankte sich bei Bates, der keinerlei Kommentar über die frischen Verletzungen in Webs Gesicht fallen ließ, auch wenn er eindeutig nicht in guter Stimmung war.
»Wenn Sie weiterhin so mit Regierungseigentum umgehen, ziehe ich es Ihnen vom Gehalt ab. Und ich habe Ihnen auf dem alten Telefon Nachrichten hinterlassen, die Sie nie beantwortet haben.«
»Tja, verdammt, Perce. Die Voice-Mail-Nachrichten tauchen manchmal erst einen Tag, nachdem ich sie erhalten habe, auf dem Bildschirm auf.«
»Ich hatte da nie ein Problem.«
»Tja, das hilft mir ja enorm weiter,
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