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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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argumentieren, sie konnten sämtliche großen und allwissenden Gottheiten aus dem Warenhaus der Religion beschwören, sie konnten jede verrückte Rechtfertigung aus dem Hut zaubern, die sie benötigten, um ihre Bomben explodieren und ihre Waffen sprechen zu lassen. Für Web zählte all das gar nichts, wenn sie dabei unschuldige Menschen töteten. Er würde weiterhin gegen sie kämpfen, solange sie auf diesem Globus ihren perversen Tanz der Gewalt aufführten; denn wo immer sie es taten, dort konnte auch er ihnen entgegentreten.
    Web ging durch kleine gummiverkleidete Zimmer, in denen Poster mit Verbrechern aufgestellt waren, die Waffen auf ihn richteten. Instinktiv zielte er mit dem Finger auf sie und feuerte imaginäre Schüsse ab. Wenn man es mit einem bewaffneten Gegner zu tun hatte, konzentrierte man sich stets auf die Hände, niemals auf die Augen, denn in der gesamten Menschheitsgeschichte war noch niemand durch Blicke getötet worden. Als Web seine »Waffe« sinken ließ, musste er grinsen. Es war alles so einfach, wenn man eigentlich gar nicht bedroht wurde.
    Aus einem anderen Raum hörte er, wie sich etwas bewegte. Er schaute hinein und sah einen Mann, der ein ärmelloses Shirt und Tarnanzug-Hosen trug und sich den Schweiß von den muskulösen Armen wischte. Lange Seile hingen von der Decke. Hier übten die Männer ihre Fähigkeiten im Seilklettern. Web sah zu, wie der Mann dreimal hinauf- und hinunterkletterte, mit geschickten und fließenden Bewegungen. Die Muskelstränge in seinen Armen und Schultern spannten und entspannten sich.
    Als er damit fertig war, trat Web ein. »Mensch, Ken!«, sagte er. »Gönnst du dir niemals einen freien Tag?«
    Ken McCarthy drehte sich zu Web um, und Web hätte seinen Blick nicht gerade als freundlich bezeichnet. McCarthy war einer der Scharfschützen gewesen, die über der Straße postiert waren, als das Charlie-Team im Hagel der 50er-Munition zu Boden gegangen war. Er war ein Schwarzer, vierunddreißig Jahre alt, in Texas geboren und ein Soldat, der im Dienst für Onkel Sam die ganze Welt gesehen hatte. Er war ein ehemaliger SEAL, aber er legte nicht die eklatante Großspurigkeit an den Tag, zu der die meisten SEALs neigten. Obwohl er nur eins achtundsiebzig maß, konnte er im Liegen einen Truck stemmen und hatte schwarze Gürtel in drei verschiedenen Kampfsportarten. Er war der geschickteste Wasserkämpfer, den die Geiselrettung jemals gehabt hatte, und er konnte jemandem auf tausend Meter Entfernung eine Kugel genau zwischen die Augen jagen, während er auf einem Baumast hockte. Mit drei Jahren Dienstzeit war er ein Veteran des HRT, er verhielt sich ruhig und blieb meistens allein. Er beteiligte sich nicht an den makabren Scherzen, mit denen sich die meisten Geiselretter die Zeit vertrieben. Web hatte ihm Dinge beigebracht, die McCarthy noch nicht wusste oder mit denen er Schwierigkeiten gehabt hatte, und im Gegenzug hatte McCarthy ihm einige seiner bemerkenswertesten Tricks verraten. Soweit Web wusste, hatte McCarthy nie ein Problem mit ihm gehabt, doch sein Blick deutete an, dass sich das möglicherweise geändert hatte. Vielleicht hatte Romano alle anderen gegen Web aufgehetzt.
    »Was machst du hier, Web? Ich dachte, du wärst noch im Krankenhaus und kurierst deine Verletzungen aus.«
    Web kam dem Mann einen Schritt näher. Es gefiel ihm nicht, wie McCarthy zu ihm sprach, aber er verstand, woher seine  Worte kamen. Web verstand auch, welche Probleme Romano mit ihm hatte. So war es eben. Man erwartete, dass jeder seinen Job machte, und zwar perfekt. Web hatte dieses Ziel verfehlt. Gut, er hatte die MGs ausgeschaltet, aber erst anschließend. Das zählte für diese Männer nicht.
    »Ich vermute, du hast alles gesehen.«
    McCarthy zog sich die Arbeitshandschuhe aus und rieb sich die dicken, schwieligen Finger. »Ich hätte mich ja in die Straße abgeseilt, aber die Einsatzzentrale hat uns angewiesen, unseren Posten nicht zu verlassen.«
    »Du hättest uns nicht helfen können, Ken.«
    McCarthy blickte immer noch auf seine Füße. »Irgendwann haben wir den Befehl zum Aufbruch bekommen. Hat zu lange gedauert. Haben uns mit Hotel getroffen. Hat viel zu lange gedauert. Wir haben immer wieder angehalten, haben versucht, euch über Funk zu erreichen. TOC hatte keinen Schimmer, was los war. Die Be fehlskette war zusammengebrochen. Aber das alles weißt du vermutlich längst.«
    »Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf das, was wirklich geschah.«
    McCarthy setzte

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