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Der Abgrund

Titel: Der Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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so harmlos, wie Sie es sagen. Als wäre ich wegen einer Akne zu Ihnen gekommen.«
    »Wir können andere Begriffe benutzen, wenn es Ihnen lieber ist. Aber das hätte keine Auswirkung darauf, wie wir Ihrem Problem auf die Spur kommen.«
    Web vergrub sein Gesicht in den Händen und sprach dann durch diesen Schutzschild. »Verdammt! Was genau erwarten Sie eigentlich von mir?«
    »Aufrichtigkeit, so viel Sie davon aufbringen können. Und ich glaube, dass Sie es können, wenn Sie es wirklich versuchen. Sie müssen mir vertrauen, Web.«
    Web nahm die Hände vom Gesicht. 
    »Okay, hier ist die  Wahrheit. Stockton war ein Widerling. Er hat Tabletten geschluckt und gesoffen. Er ist nie aus den Sechzigern rausgekommen, wie es schien. Er hatte irgendeinen unbedeutenden Bürojob, wo er während der Arbeit einen Anzug tragen musste, und in seiner Freizeit hielt er sich für einen zweiten Dylan Thomas.«
    »Damit wollen Sie mir also sagen, dass er so etwas wie ein vom Leben enttäuschter Träumer war, vielleicht sogar ein Scharlatan?«
    »Er wollte intellektueller und talentierter als meine Mutter sein, aber das war er nicht. Nicht einmal annähernd. Seine Gedichte waren Mist, er hat nie etwas veröffentlicht. Das Einzige, was er mit dem alten Dylan gemeinsam hatte, war der Suff. Ich vermute, er hat geglaubt, er könnte seine Inspiration aus der Flasche trinken.«
    »Und dann hat er Ihre Mutter geschlagen?« Sie tippte auf ihre Unterlagen, »Steht das in der Akte?«
    »Eigentlich ist es viel interessanter, was nicht in der Akte steht. Ihre Mutter hat nie Anzeige gegen Stockton erstattet.«
    »Dann schätze ich, dass wir wohl glauben müssen, was die Dokumente sagen.«
    »Hat er Ihre Mutter geschlagen?«, wiederholte sie ihre Frage, und auch diesmal gab Web ihr keine Antwort. »Oder hat er nur Sie geschlagen?« Langsam hob Web den Blick und sah sie an, aber er sagte immer noch nichts. »Also nur Sie? Und Ihre Mutter hat nichts dagegen unternommen?«
    »Charlotte war nur selten zu Hause. Sie hatte einen Fehler begangen, als sie diesen Kerl heiratete. Sie wusste es, also ging sie ihm aus dem Weg.«
    »Ich verstehe. Und eine Scheidung kam nicht infrage.«
    »Sie hatte bereits eine hinter sich. Ich glaube, sie wollte es nicht noch einmal durchmachen. Es war einfacher, stattdessen in  die Nacht hinauszufahren.«
    »Und sie hat ihren Sohn mit einem Mann allein gelassen, von dem sie wusste, dass er ihn schlägt? Wie haben Sie sich in dieser Situation gefühlt?«
    Web sagte nichts.
    »Haben Sie jemals mit ihr darüber geredet? Ihr gesagt, wie Sie es empfunden haben?«
    »Das hätte nichts gebracht. Für sie hat dieser Kerl niemals existiert.«
    »Sie meinen, sie hat die Erinnerung an ihn verdrängt?«
    »Ich meine gar nichts. Interpretieren Sie hinein, was Sie möchten. Wir haben nie darüber geredet.«
    »Waren Sie zu Hause, als Ihr Stiefvater starb?«
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht mehr genau. Wahrscheinlich habe auch ich manches verdrängt.«
    »In der Akte heißt es nur, dass Ihr Stiefvater gestürzt ist. Wie ist er gestürzt?«
    »Er ist von der Leiter zum Dachboden gefallen. Da oben hat er seine heimlichen und persönlichen Erinnerungsstücke aufbewahrt. Er war besoffen, hat eine Sprosse verfehlt, schlug sich auf dem Weg nach unten an der Öffnung den Kopf auf und brach sich das Genick, als er auf dem Boden landete. Die Polizei hat den Fall untersucht und festgestellt, dass es ein Unfall war.«
    »War Ihre Mutter zu Hause, als es geschah, oder war sie mal wieder unterwegs?«
    »Wollen Sie jetzt die Rolle einer FBI-Agentin spielen?«
    »Ich versuche nur zu verstehen, was geschehen ist.«
    »Charlotte war zu Hause. Sie hat den Krankenwagen gerufen. Aber wie ich bereits sagte, war er längst tot.«
    »Haben Sie Ihre Mutter schon immer beim Vornamen genannt?«
    »Es erschien mir angemessen.«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Sie mit Erleichterung auf Stocktons Tod reagiert haben.«
    »Ich will es so formulieren: Bei seiner Beerdigung habe ich nicht geweint.«
    Claire beugte sich vor und sprach sehr leise weiter. »Web, meine nächste Frage ist sehr schwer zu beantworten, und wenn Sie nichts dazu sagen wollen, okay. Aber in Fällen von Kindesmissbrauch durch die Eltern muss ich diesen Punkt ansprechen.«
    Web hob beide Hände. »Er hat mich niemals unsittlich berührt, und er hat mich niemals gezwungen, ihn unsittlich zu berühren. Zufrieden? Da war nichts. Man hat mich damals gefragt, und schon damals habe ich die Wahrheit gesagt.

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