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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hatte Shem zu schrumpfen begonnen, war klein und grau geworden wie verkohltes Pergament. Er wedelte mit den winzigen, auseinanderbröckelnden Armen. »Bitte, o Unsterblicher, ich bitte Euch.« Seine Stimme war eigenartig leicht und hatte einen verschlagenen Unterton. »Ich werde um nichts weiter bitten – ich werde den Namen des Dunklen nie wieder nennen. Lehrt mich das Wort.«
    Wo Ruben gestanden hatte, glühte lebendiges Feuer. »Nun gut, Priester. Vielleicht ist es kein großes Wagnis, dir dieses gefährliche Spielzeug anzuvertrauen. Schon bald wird dem Herrn über alles diese Welt wieder gehören … es gibt nichts, das du dagegen tun könntest . Wohlan, ich will dich das Wort lehren, aber der Schmerz wird groß sein. Jede Verwandlung hat ihren Preis.« Wieder gluckste die unirdische Stimme vor Lachen. »Du wirst laut schreien …«
    »Das ist mir gleich!« , rief Shem, und seine Aschengestalt löste sich in wirbelnder Dunkelheit auf; mit ihm die düstere Schmiede und der Heuboden selbst. »Das ist mir gleich! Ich muss es wissen!« Und dann war auch das glühende Wesen, das wie Ruben ausgesehen hatte, nur noch ein Lichtpunkt in der Schwärze … ein Stern …
    Atemlos wachte Simon auf. In seiner Brust hämmerte das Herz. Über ihm stand ein einzelner Stern und spähte durch ein Loch im Dach ihres Unterstands wie ein blauweißes Auge auf ihn herunter.
    Binabik hob den Kopf von Qantaqas zottigem Hals. Der Troll, noch halb im Schlaf, gab sich große Mühe, wach zu werden. »Was ist, Simon?«, fragte er. »Hattest du einen Traum voller Furcht?«
    Simon schüttelte den Kopf. Seine Angst ließ bereits ein wenig nach, aber er war überzeugt, dass der Traum mehr als nur eine nächtliche Phantasie gewesen war. Es war gewesen, als hätte neben ihm wirklich eine Unterhaltung stattgefunden, ein Gespräch, das sein Geist im Schlaf fein säuberlich mit dem Inhalt seines Traums verknüpft hatte – ein ganz alltägliches Vorkommnis, wie er es schon oft erlebt hatte. Seltsam und beängstigend war nur, dass es niemanden gab, der da gesprochen hatte: Sludig schnarchte, und Binabik war offensichtlich gerade erst im Begriff, wach zu werden.
    »Ach, nichts«, sagte Simon und bemühte sich energisch um Gelassenheit. Er kroch zur Vorderseite des Unterstandes, wobei er Rücksicht auf die blauen Flecke vom Stockfechten des vorigen Abends nahm, und steckte den Kopf hinaus, um sich umzuschauen. Der eine Stern, den er gesehen hatte, befand sich in großer Gesellschaft – eine Vielzahl winziger weißer Lichter bedeckte wie hingesprüht den Nachthimmel. Ein frischer Wind hatte die Wolken verjagt, die Nacht war klar und kalt, und die ununterbrochene Eintönigkeit der Weißen Öde dehnte sich nach allen Seiten. Nichts Lebendiges außer ihnen zeigte sich unter einem elfenbeinernen Mond.
    Also war es doch nur ein Traum gewesen, ein Traum darüber, wie wohl der alte Shem Pferdeknecht mit Pryrates’ krächzender Stimme sprechen würde und Ruben der Bär mit der Grabesstimme von etwas, das es auf Gottes lebendiger Erde gar nicht gab …
    »Simon?«, fragte Binabik schläfrig. »Hast du …?«
    Er hatte Angst, aber wenn er ein Mann sein sollte, konnte er nicht vor jedem schlechten Traum weglaufen und sich an irgendeiner Schulter ausweinen. »Alles in Ordnung.« Zitternd krabbelte er zurück auf seinen Mantel. Mir geht es gut.«
    Aber es war so wirklich gewesen. So wirklich. Als redeten sie in meinem Kopf.
    Sie hatten sich die bruchstückhafte Botschaft des Silbersperlings zu Herzen genommen und ritten jeden Tag vom frühen Morgen bis in den späten Abend, um dem herannahenden Sturm so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Simons Kampfspiele mit Sludig fanden jetzt bei Feuerschein statt, so dass er vom Augenblick des Aufstehens bis zum Ende des Tages, wenn er erschöpft in den Schlaf fiel, kaum einen Augenblick für sich allein hatte. Die Tage des Rittes verliefen in immer gleichem Einerlei: die endlosen, buckligen weißen Felder, das dunkle Gewirr verkrüppelter Bäume, die betäubende Hartnäckigkeit des Windes. Simon war dankbar dafür, dass sein Bart immer dichter wuchs; ohne ihn, dachte er oft, würde der gnadenlose Wind ihm das Gesicht bis auf die Knochen abscheuern.
    Das Antlitz des Landes selbst schien der Wind bereits abgescheuert zu haben, wobei wenig Bemerkenswertes oder Herausgehobenes übriggeblieben war. Wäre der Waldstreifen am Horizont nicht jeden Tag breiter geworden, hätte Simon glauben können, sie brächen jeden Morgen aufs

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