Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Ende ist, empfehle ich dir, sie zu genießen. Wenn wir uns auf unsere eigene Jagd verlassen müssen, werden die Mahlzeiten wohl etwas magerer ausfallen.«
Simon wischte sich schnatternd vor Kälte eine Handvoll Schnee aus dem Gesicht. »Sind wir denn nicht bald am Wald?«
Geduldig hielt ihm Binabik nochmals die Schale hin. »Doch, aber wir sollten lieber am Waldrand weiterreiten, als in sein Inneres vorzudringen. Es ist ein etwas umständlicherer Weg, aber weniger zeitraubend, weil wir uns nicht erst durch das Unterholz vorarbeiten müssen. Außerdem gibt es vielleicht in diesem erfrorenen Sommer kaum Tiere, die nicht in ihren Höhlen und Nestern liegen und schlafen. Wenn du mir also diese Suppe nicht bald abnimmst, werde ich sie selbst austrinken. Ich habe genauso wenig für das Verhungern übrig wie du, aber viel mehr Vernunft im Kopf.«
»Entschuldige. Danke.« Simon beugte sich tief über die Schale und sog tief und genüsslich den aufsteigenden Duft ein, bevor er trank.
»Wenn du fertig bist«, schniefte der Troll, »könntest du die Schale saubermachen. Eine reinliche Schale ist auf einer Reise von solcher Gefährlichkeit etwas höchst Angenehmes.«
Simon lächelte. »Du hörst dich an wie Rachel der Drache.«
»Ich bin dieser Drachen-Rachel nie begegnet«, sagte Binabik, stand auf und klopfte sich den Schnee von der Hose, »aber wenn sie für dich verantwortlich war, muss sie eine Frau von großer Geduldigkeit und Güte gewesen sein.«
Simon kicherte.
Spät am Morgen erreichten sie das Wegkreuz. Nur ein hagerer Finger aus Stein, der senkrecht aus dem gefrorenen Boden aufragte, bezeichnete die Begegnung der beiden Straßen. Graugrüne, anscheinend frostunempfindliche Flechten klammerten sich grimmig an ihm fest.
»Die Alte Tumet’ai-Straße geht durch den Wald.« Binabik deutete auf die kaum wahrnehmbare Linie der Südstraße, die sich in einem Fichtengehölz verlor. »Weil ich fürchte, dass sie nicht mehr benutzt wird und darum wahrscheinlich völlig zugewachsen ist, sollten wir lieber dem Weißen Weg folgen. Vielleicht stoßen wir auf ein paar verlassene Siedlungen, in denen sich möglicherweise noch Vorräte befinden.«
Der Weiße Weg war etwas neuer als die Straße aus dem uralten Tumet’ai. Es gab ein paar Anzeichen dafür, dass Menschen sie noch vor kurzem benutzt hatten – ein verrosteter und zerbrochener Radring aus Eisen, der neben der Straße an einem Ast hing, auf den ihn sicher ein erboster Wagenbesitzer geschleudert hatte; eine angespitzte Speiche, die vielleicht als Zeltpfahl gedient hatte und jetzt weggeworfen am Wegrand lag; ein halb zugeschneiter Kreis aus angekohlten Steinen.
»Wer mag hier draußen leben?«, fragte Simon. »Warum gibt es hier überhaupt eine Straße?«
»Früher gab es östlich des Klosters von Sankt Skendi mehrere kleine Siedlungen«, antwortete Sludig. »Du erinnerst dich doch noch an Sankt Skendi – der unter dem Schnee begrabene Ort, an dem wir auf unserem Weg zum Drachenberg vorbeikamen. Es gab sogar ein paar kleine Städte – Sovebek, Grinsaby, noch einige mehr. Ich glaube, dass vor etwa einem Jahrhundert die Leute, die von den Thrithingen nach Norden reisten, diesen Weg um den großen Wald herum wählten, sodass es vielleicht auch ein paar Herbergen gegeben hat.«
»In den Tagen vor mehr als einem Jahrhundert«, fiel Binabik ein, »reisten viele in diesem Teil der Welt. Wir Qanuc – zumindest manche von uns – zogen im Sommer weiter nach Süden, manchmal bis an die Grenzen der Tiefländer. Auch die Sithi kamen auf ihren Wanderungen überallhin. Erst jetzt, in dieser späten und traurigen Zeit, hat das Land hier seine Stimmen verloren.«
»Jetzt macht es jedenfalls einen verlassenen Eindruck«, meinte Simon. »Es sieht ganz so aus, als könne hier niemand mehr leben.«
Sie folgten den kurzen Nachmittag lang dem gewundenen Lauf der Straße. Hier am Rande des Waldes standen die Bäume allmählich dichter, manchmal wuchsen sie an beiden Seiten der Straße, sodass es den Gefährten vorkam, als ritten sie bereits im Inneren des Aldheorte, ohne eigentlich hineingewollt zu haben. Endlich gelangten sie zu einem weiteren hohen Stein, der ganz allein und schief am Straßenrand stand, ohne dass ein Kreuzweg oder eine andere Landmarke zu erkennen gewesen wäre. Sludig stieg ab, um ihn genauer zu untersuchen.
»Es sind Runen darauf, aber schwach und verwittert.« Er kratzte einen Teil des gefrorenen Mooses ab. »Ich glaube, hier steht, dass Grinsaby in der
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