Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Blick zu, gab ihm jedoch den Weg frei. Simon kniete vor dem Schwert nieder. Das harte, kantige Bündel war in Lumpen und Felle gehüllt. Er packte es aus. Seine Hände waren sonderbar gefühllos.
Als er den umwickelten Griff anfasste, malte der zur Tür hereinfallende Feuerschein einen glühendroten Streifen über Dorns schwarze Klinge. Unter seinen Fingern erbebte das Schwert, wie er es noch nie erlebt hatte, ein Zittern wie vor Hunger und Erwartung. Zum ersten Mal empfand Simon Dorn als etwas unaussprechlich und widerwärtig Fremdartiges. Aber er konnte es ebenso wenig loslassen, wie er imstande war fortzulaufen. Er hob es auf. Diesmal war die Klinge nicht, wie sonst manchmal, schmerzhaft schwer, leistete aber trotzdem auf seltsame Weise Widerstand, so als ziehe er sie aus dem Schlamm am Grunde eines Teichs.
Er fühlte sich zur Tür getrieben. Auch wenn sie ihn nicht sehen konnte, war Skodi stark genug, ihn zu bewegen wie eine Strohpuppe. Er ließ sich wieder auf den roterleuchteten Hof zerren.
»Komm her, Simon«, sagte sie, als er draußen erschien, und breitete die Arme aus wie eine liebevolle Mutter. »Komm und stell dich zu mir in den Kreis!«
»Er hat ein Schwert!«, kreischte Vren von der Tür her. »Er wird dir wehtun!«
Skodi lachte verächtlich. »Das wird er nicht. Skodi ist zu stark. Außerdem ist er mein neuer Liebling. Er mag mich, nicht wahr?« Sie streckte die Hand nach Simon aus. Dorn schien dick geschwollen von schrecklichem, träge atmendem Leben. »Brich den Kreis nicht«, bemerkte Skodi beiläufig, als spielten sie ein Spiel. Sie ergriff seinen Arm und zog ihn zu sich heran, wobei sie ihm half, die ungeschickten Füße über den Ring aus rötlichem Staub zu heben. »Jetzt werden sie das Schwert sehen können!« Sie glühte triumphierend. Eine ihrer warmen rosigen Hände legte sich auf seine Hand am Griff Dorns, die andere umschlang seinen Hals und drückte ihn an ihre weichenBrüste und den schwellenden Bauch. Die Hitze des Feuers machte Simon weich wie Wachs; der Druck von Skodis Körper gegen seinen Leib war wie ein erstickender Fiebertraum. Obwohl er das Mädchen um einen halben Kopf überragte, konnte er ihr so wenig Widerstand leisten wie ein Säugling.
Skodi schwankte hinter seinem Rücken und begann in durchdringender Rimmerspakk zu schreien. Wieder formten sich im Feuer die Umrisse eines Gesichts. Durch Tränen, die ihm die Hitze in die Augen trieb, sah Simon, wie der unbestimmte schwarze Mund sich öffnete und schloss wie ein Haifischmaul. Etwas Kaltes und Schreckliches legte sich über sie – suchend, fragend und mit raubtierhafter Geduld nach ihnen witternd.
Die Stimme brüllte sie an. Diesmal konnte Simon im Getöse etwas wie Sprache erkennen, unverständliche Worte, von denen ihm die Zähne wehtaten.
Skodi keuchte vor Erregung. »Es ist einer von Fürst Rotauges obersten Dienern, so wie ich gehofft hatte! Schaut, Herr, schaut! Das Geschenk, das Ihr wollt!« Sie zwang Simon, Dorn hochzuheben, und starrte gierig auf das Schattenwesen, das im Feuer schwankte und von neuem sprach. Ihr begeistertes Grinsen wurde mürrisch. »Es versteht mich nicht«, flüsterte sie mit der selbstverständlichen Vertrautheit einer Liebenden in Simons Nacken. »Es kann den richtigen Weg nicht finden. Das hatte ich befürchtet. Mein Zauber allein ist nicht stark genug. Skodi muss etwas tun, das sie nicht tun wollte.« Sie drehte den Kopf aus dem Kreis. »Vren! Wir brauchen Blut! Nimm die Schüssel, bring mir ein wenig Blut von dem Langen!«
Simon wollte aufschreien; es war unmöglich. Die Hitze im Kreis ließ Skodis feines Haar wie bleiche Rauchfäden zu Berge stehen. Ihre Augen waren flach und unmenschlich wie Topfscherben. »Blut, Vren!«
Der Junge stand vor Sludig, in der einen Hand eine irdene Schale. Die Messerklinge – riesig in Vrens kleinen Fingern – lag am Hals des Rimmersmannes. Vren sah wieder auf Skodi und achtete nicht auf Binabik, der sich neben ihm am Boden wand.
»Richtig, den Großen!«, rief Skodi. »Den Kleinen will ich behalten.Schnell jetzt, Vren, du dummes Eichhörnchen, ich brauche das Blut für mein Feuer, sonst verschwindet der Bote!«
Vren hob das Messer.
»Und bring es vorsichtig!«, fuhr Skodi fort. »Du darfst im Kreis nichts verschütten. Du weißt, wie aufgeregt die Kleinen schwärmen, wenn sie Zaubersprüche hören, und wie hungrig sie sind.«
Plötzlich fuhr der Hyrkajunge herum und marschierte auf Skodi und Simon zu, das Gesicht verzerrt von Zorn und
Weitere Kostenlose Bücher