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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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bezweifle sehr, dass dort überhaupt jemand wohnt. Seht Ihr etwas, das sich bewegt? Und es brennen keine Lichter außer unseren.«
    »Und wie kommt Ihr darauf, dass die Friedlichen nicht im Dunkeln sehen können?«, fragte sie und musste lachen über die Torheit der Männer im Allgemeinen und so kluger Männer wie des Grafen im Besonderen. Ihr Herz raste und ihr Lachen überschlug sich fast. Sicherheit! Der Gedanke raubte ihr den Atem. Wer konnte ihnen etwas Böses antun, hier im Schoß der uralten Beschützer von Hernystir?
    »Nun gut, Herrin«, erwiderte Eolair langsam. »Wir werden ein kleines Stück nach unten steigen, sofern man diesen Stufen trauen kann. Aber Euer Volk sorgt sich um Euch«, er verzog das Gesicht, »und es wird sich bald auch um mich sorgen. Wir müssen schnellstens zurück. Schließlich können wir jederzeit und mit mehr Leuten wiederkommen.«
    »Gewiss.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, um anzudeuten, wie wenig es ihr darauf ankam. Natürlich würden sie zurückkehren, und zwar mit dem gesamten Volk. Hier war der Ort, an dem sie in Zukunft leben würden, fern von Skali und Elias und den anderen Wahnsinnigen, die über der Erde Blut vergossen.
    Eolair nahm ihren Ellbogen und führte sie mit geradezu alberner Vorsicht. Maegwin wäre die roh behauenen Stufen am liebsten hinuntergehüpft. Was konnte ihnen hier schon geschehen?
    Sie stiegen hinab wie zwei kleine Sterne, die in einen gewaltigen Abgrund sinken. In den bleichen Steindächern unter ihnen brachen sich die Flammen ihrer Lampen. Ihre Schritte tönten durch dieriesige Felshöhle und prallten von der unsichtbaren Decke ab, um in unzähligen Wiederholungen nachzuhallen und schließlich als huschendes Rauschen zu ihnen zurückzusurren wie die samtigen Flügel einer Million Fledermäuse.
    Trotz ihrer vollendeten Schönheit machte die Stadt einen skelettartigen Eindruck. Ihre miteinander verbundenen Gebäude waren mit hellen Steinplatten in tausend Farben verkleidet, die vom Weiß des frisch gefallenen Schnees über zahllose matte Sandschattierungen bis zu Perltönen und rußigem Grau reichten. Die runden Fenster starrten sie aus blinden Augen an. Die polierten Steinstraßen glänzten feucht wie die Spuren wandernder Schnecken.
    Als sie die Hälfte der Stufen zurückgelegt hatten, blieb Eolair unvermittelt stehen und drückte Maegwins Arm eng an seine Seite. Im Lampenlicht wirkte sein besorgtes Gesicht beinahe durchscheinend; Maegwin kam es vor, als könne sie jeden Gedanken in seinem Kopf sehen.
    »Wir sind weit genug gegangen, Herrin«, erklärte er. »Euer Volk wird uns bereits suchen.«
    »Mein Volk?« Sie machte sich von ihm los. »Ist es nicht auch das Eure? Oder steht Ihr jetzt hoch über einem Stamm armseliger Höhlenbewohner, Graf?«
    »Das habe ich nicht gemeint, Maegwin, und Ihr wisst es«, entgegnete er schroff.
    Was ist das für ein Schmerz in Euren Augen, Eolair? , dachte sie. Ist es so schlimm, an eine Wahnsinnige gekettet zu sein? Wie konnte ich nur so töricht sein, Euch zu lieben, obwohl ich doch nie mehr als höfliche Nachsicht von Euch erhoffen durfte?
    Laut sagte sie: »Es steht Euch frei, zu gehen, wohin Ihr wollt, Graf. Ihr habt an mir gezweifelt. Nun fürchtet Ihr Euch vielleicht, denen gegenüberzutreten, deren Dasein Ihr geleugnet habt. Ich jedoch werde keinen anderen Weg einschlagen als den hinunter in die Stadt.«
    Eolairs feine Züge nahmen einen Ausdruck der Verärgerung an. Als er sich, ohne es zu bemerken, einen Fleck aus Lampenruß über das Kinn rieb, fragte sich Maegwin plötzlich, wie sie selbst wohl aussah. Die langen Stunden, in denen sie wie eine Besessene gesuchtund gegraben und auf den Riegel der großen Tür eingehackt hatte, schwammen durch ihren Kopf wie ein fast vergessener Traum. Wie lange befand sie sich schon hier unten? Mit einem wachsenden Gefühl des Entsetzens musterte sie ihre erdverkrusteten Hände. Sie musste ja wirklich wie eine Verrückte aussehen! Doch dann schob sie den Gedanken verächtlich beiseite. Was bedeuteten solche Kleinigkeiten in einer Stunde wie dieser?
    »Ich kann nicht zulassen, dass Ihr Euch hier verirrt, Herrin«, erklärte Eolair nach einer Weile.
    »Dann kommt mit mir oder schleift mich den ganzen Weg zurück in Euer grässliches Lager, edler Graf.« Der höhnische Unterton gefiel ihr plötzlich selber nicht, aber es war nun einmal heraus, und sie würde es nicht zurücknehmen.
    Eolair zeigte nicht den erwarteten Zorn; stattdessen resignierte er. Der Schmerz,

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