Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
unendlich schwierig. Langsam drehte er sich um und spähte nach Binabik und Sludig. Entsetzt hielt er inne.
An der bröckelnden, verputzten Mauer des Klosters lagen zusammengekrümmtzwei Gestalten, eine kleine und eine große. Simons Tränen froren auf seinen Wangen zu stechendem Eis, als etwas seinen Kopf herumdrehte und ihn einen weiteren erzwungenen Schritt zum Feuer führte.
»Warte«, befahl Skodi. Ihr weites, weißes Nachthemd flatterte im Wind. Die Füße waren bloß. »Ich will dich nicht zu nah haben. Du könntest dich verbrennen; das würde dich verderben. Stell dich dort drüben hin.« Ihr runder Arm deutete auf eine wenige Schritte entfernte Stelle. Als wäre er eine Fortsetzung ihrer Hand, trottete Simon durch den tauenden Schneematsch dorthin.
»Vren!«, rief Skodi, von irrer Begeisterung erfasst. »Wo ist der Strick? Wo steckst du?«
Der dunkelhaarige Junge erschien in der Klostertür. »Hier, Skodi.«
»Binde ihm die hübschen Handgelenke zusammen.«
Vren setzte sich in Trab. Er huschte über den eisigen Boden, packte Simons schlaffe Hände und zog sie auf seinen Rücken, wo er sie geschickt mit einem Stück Schnur fesselte.
»Warum tust du das, Vren?«, keuchte Simon. »Wir waren freundlich zu dir.«
Der Hyrkajunge beachtete ihn nicht, sondern zog die Knoten fest. Als er fertig war, legte er die kleinen Hände auf Simons Hüften und schob ihn zu der Stelle, an der Binabik und Sludig dicht nebeneinander auf der Erde lagen.
Auch ihnen waren die Hände auf dem Rücken zusammengebunden. Binabik suchte Simons Blick. Im feurigen Schatten des Hofs leuchtete das Weiß in seinen Augen. Sludig atmete, war jedoch bewusstlos. Ein gefrorener Speichelfaden rann in seinen blonden Bart.
»Simon-Freund«, krächzte der Troll, jedes Wort eine Anstrengung. Der kleine Mann holte Atem, als wolle er noch etwas sagen, brachte jedoch nichts weiter hervor.
Auf der anderen Seite des Hofs hatte Skodi sich gebückt und mit einer Handvoll rötlichen Pulvers, das sie verstreute, einen Kreis in den schmelzenden Schnee gezogen. Dann begann sie Runen in den schlammigen Boden zu kratzen, die Zungenspitze zwischen den Zähnen wie ein eifriges Kind. In einiger Entfernung stand Vren unddrehte den Kopf von Skodi zu Simon und von Simon zu Skodi. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, nur die Wachsamkeit eines Tiers.
Die Kinder waren damit fertig, das Feuer zu schüren, und hockten nun aneinandergekauert vor der Klostermauer. Eines der kleineren Mädchen saß in seinem dünnen Hemd auf der Erde und schluchzte leise vor sich hin. Ein älterer Junge strich ihm beiläufig über den Kopf, als wollte er es trösten. Alle beobachteten mit gespannter Aufmerksamkeit Skodis Bewegungen. Der Wind hatte das Feuer zu einer wogenden Säule emporgepeitscht, die ihre ernsthaften kleinen Gesichter mit purpurrotem Licht überzog.
»Wo ist denn Honsa?«, rief Skodi, richtete sich auf und zog ihr Nachthemd enger um den Körper. »Honsa?«
»Ich hole sie, Skodi«, sagte Vren. Er verschwand im Schatten der Klosterecke und kam gleich darauf mit einem schwarzhaarigen Hyrkamädchen zurück, ein paar Jahre älter als er. Zwischen den beiden schwankte ein schwerer Korb, der immer wieder gegen den höckrigen Boden stieß und abprallte, bis sie ihn vor Skodis geschwollenen Füßen absetzten und zu den anderen wartenden Kindern hinübergingen. Dort hockte sich Vren vor die kleine Gruppe, zog ein Messer aus dem Gürtel und fing an, nervös an dem restlichen Ende seines Stricks herumzuschneiden. Simon konnte die Anspannung des Jungen über den ganzen Hof hinweg fühlen. Er fragte sich benommen, was sie vorhatten.
Skodi griff in den Korb und holte einen Schädel heraus, dessen Unterkiefer nur noch an ein paar Knoten verdorrten Fleisches hing, sodass das augenlose Gesicht mit aufgerissenem Mund zu staunen schien. Simon sah, dass der überquellende Korb voll von solchen Schädeln war. Plötzlich war er überzeugt davon, das Schicksal der Eltern all dieser Kinder zu kennen. Sein betäubter Körper zitterte reflexartig, aber er nahm die Bewegung nur unbestimmt wahr, als betreffe sie eine andere, irgendwo neben ihm stehende Person. Ein Stück weiter spielte der dunkeläugige Vren mit seiner glänzenden Klinge an dem Seilende, einen finster brütenden Ausdruck im Gesicht. Simon sank das Herz, als ihm einfiel, dass Skodi erzählt hatte, Vren sei neben seinen sonstigen Aufgaben auch ihr Metzger und ihr Koch.
Skodi hielt den Schädel vor sich hin. Ihr eigenartig
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