Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sofort umbringen, nachdem der Hochzeitsritt beendet ist, wenn du das möchtest. Ich lege nur Wert auf meinen Brautpreis und die Wiederherstellung der Stammesehre.«
»Dazu gibt es bessere Mittel als das Abschlachten wehrloser Gefangener«, erklärte eine neue Stimme.
Alle Köpfe drehten sich um, sogar, allerdings sehr vorsichtig, Josuas Kopf. In der Tür stand mit weit ausgebreiteten Armen Geloë. Ihr Mantel wogte im Wind.
»Sie sind aus dem Bullenpferch ausgebrochen!«, brüllte Fikolmij ergrimmt. »Keine Bewegung, Weib! Hotvig, lass die Pferde satteln und hole die Übrigen zurück. Dafür wird jemand zu bezahlen haben!«
Geloë trat in den Wagen, in dem es jetzt allmählich eng wurde. Mit einem erstickten Fluch drängte Hotvig sich an ihr vorbei und sprang hinaus ins Dunkle. Gelassen zog die Zauberfrau hinter ihm die Tür zu. »Er wird feststellen, dass sie noch eingesperrt sind«, bemerkte sie. »Nur ich kann kommen und gehen, wie es mir beliebt.«
Utvart hob die breite Klinge und näherte sie ihrem Hals. Als Geloës verschleierter Blick ihn traf, wich der große Thrithingmann zurück und schwenkte sein Schwert, als wolle er eine Bedrohung abwehren.
Fikolmij musterte Geloë fragend und mit mühsam verhehltem Zorn. »Was willst du von mir, alte Frau?«
Vara, aus Hotvigs Griff befreit, war auf die Knie gefallen und an ihrem Vater vorbeigekrochen, um Josua mit ihrem zerfetzten Mantel das Gesicht abzutupfen. Sanft griff der Prinz nach ihrer Hand und hielt sie fest.
Geloë sprach: »Ich habe gesagt, ich komme und gehe, wie es mir beliebt. Jetzt beliebt es mir, hier zu sein.«
»Du stehst in meinem Wagen, alte Frau.« Der Mark-Than wischte sich mit dem haarigen Arm den Schweiß von der Stirn.
»Du hieltest Geloë für deine Gefangene, Fikolmij. Das war töricht. Trotzdem bin ich gekommen, um dir einen Rat zu geben, weil ich hoffe, dass du mehr Verstand besitzt, als du bisher gezeigt hast.«
Fikolmij sah aus, als müsse er sich beherrschen, um nicht wieder zuzuschlagen. Geloë sah den Widerstreit seiner Gefühle und den angespannten Ausdruck seiner Augen und lächelte bissig.
»Du hast von mir gehört.«
»Ich habe von einer Teufelsfrau deines Namens gehört, die im Wald lauert und den Menschen die Seelen stiehlt«, brummte Fikolmij. Dicht hinter ihm stand Utvart mit zusammengepressten Lippen; aber die Augen des großen Mannes waren weit aufgerissen und wanderten unruhig nach allen Seiten, als wolle er sich vergewissern, wo die Türen und Fenster zu finden waren.
»Bestimmt hast du eine Menge falscher Gerüchte gehört«, meinte Geloë, »aber ein wenig Wahrheit liegt schon darin, so entstellt sie auch daherkommen mag. Wahr ist zum Beispiel, dass ich eine unangenehme Feindin bin, Fikolmij.« Sie blinzelte langsam wie eine Eule, die etwas Kleines und Hilfloses vor sich sieht. »Eine unangenehme Feindin.«
Der Mark-Than zupfte an seinem Bart. »Ich fürchte dich nicht, Frau, aber ich suche auch keine Händel mit Dämonen. Ich habe keine Verwendung für dich. Von mir aus geh fort, ich werde dich nicht daran hindern. Aber mische dich nicht in Dinge, die dich nichts angehen.«
»Du bist ein Narr, Reiterfürst!« Geloë warf den Arm in die Höhe. Ihr Mantel spreizte sich wie eine schwarze Schwinge. Hinter ihr flog krachend die Tür auf. Der eindringende Wind blies die Lampen aus und tauchte den Wagen in fast völliges Dunkel. Nur das Feuer glühte in seiner Pfanne scharlachrot wie ein Tor zur Hölle. Irgendjemand fluchte, was im Stöhnen der Windbö kaum zu hören war. »Ich habe es dir gesagt«, rief Geloë, »ich gehe, wohin es mir beliebt!«
Die Tür schwang zu, obwohl die Zauberfrau sich nicht bewegt hatte. Der Wind war still. Sie beugte sich vor, und in ihren gelben Augen spiegelten sich die rastlosen Flammen. »Was mit diesen Menschen geschieht, geht mich sehr wohl etwas an – und dich ebenfalls, auch wenn du zu dumm bist, es zu verstehen. Unser Feind ist auch dein Feind, und er ist stärker, als du ahnen kannst, Fikolmij. Wenn er kommt, wird er über deine Weiden dahinbrausen wie ein Grasfeuer.«
»Ha!« Der Mark-Than grinste spöttisch, aber seine Stimme hatte ihren nervösen Unterton nicht verloren. »Halte mir keine Predigten. Ich weiß alles über euren Feind, König Elias. Er ist genauso wenig ein Mann wie Josua hier. Die Thrithingmänner fürchten ihn nicht.«
Bevor Geloë antworten konnte, pochte es an der Tür. Sie ging auf, und Hotvig erschien, den Speer in der Hand, mit verdutzter Miene.
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