Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
wurde, diesmal aber über seinen Lehnsherrn. Es raubte ihm schier der Atem. Nie hätte er gedacht, dass er einmal solche Gefühle hegen könnte.
»Prinz«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ihr seid ein Narr geworden, ein verfluchter Narr. Priester, Gaukler und Frauen! Ein Heer von Rittern zu Ross hätte kaum mehr erreichen können als Eure Frauen und Gaukler – und gewiss nicht tapferer sein können!« Vor Wut zitternd stand er auf und stapfte über den schlammigen Grund des Käfigs davon. Es kam ihm vor, als stünden die Sterne schräg am Himmel.
Eine Hand schloss sich um seine Schulter und zog ihn mit überraschender Stärke herum. Josua stand stocksteif vor ihm und hielt ihn auf Armeslänge von sich. Der Prinz hatte den Kopf auf dem langen Hals vorgeschoben wie ein Raubvogel kurz vor dem Herabstoßen.
»Und was habe ich dir getan, Deornoth, dass du so zu mir sprichst?«, fragte er mit erstickter Stimme.
In jeder anderen Situation wäre Deornoth vor Scham über seine eigene Respektlosigkeit vor ihm auf die Knie gefallen. Jetzt entspannte er seine Muskeln und holte tief Atem, bevor er antwortete: »Ich kann Euch lieben, Josua, und doch hassen, was Ihr sagt.«
Der Prinz starrte ihn an. In der abendlichen Dunkelheit war seinGesichtsausdruck nicht zu erkennen. »Ich habe schlecht über unsere Gefährten gesprochen. Das war unrecht von mir. Aber über Euch, Deornoth, habe ich nichts Böses gesagt …«
»Elysia, Mutter Gottes!« Deornoth schluchzte beinahe. »Es geht doch nicht um mich! Und was die anderen betrifft – nur eine unbedachte Bemerkung, die Ihr aus Müdigkeit gemacht habt. Ich weiß, dass Ihr es nicht so gemeint habt. Nein, Ihr selbst seid das Opfer Eurer Grausamkeit! Darum seid Ihr ein Narr!«
Josua erstarrte. »Wie?«
Deornoth warf die Arme in die Luft, als reiße ihn die schwindlige Tollheit eines Mittsommerabends hin, an dem alle Leute Masken tragen und die Wahrheit sagen, nur dass es hier auf der Bullenweide keine Masken gab. »Ihr seid Euch selbst ein schlimmerer Feind, als Elias es jemals sein könnte«, rief er ohne Rücksicht darauf, dass ihn andere hören konnten. » Eure Verantwortung, Eure Schuld, Eure versäumte Pflicht! Wenn Usires Ädon heute nach Nabban zurückkäme und wieder im Tempelgarten am Baum hinge, fiele Euch ein Grund ein, Euch deswegen Vorwürfe zu machen. Ganz gleich, von wem die Schmähungen stammen, ich werde nicht länger zuhören, wie ein guter Mann verleumdet wird!«
Josua stand da wie betäubt. Das Knarren des Holztors brach mitten in das schreckliche Schweigen. Ein halbes Dutzend Männer mit Speeren drängte in die Einfriedung, angeführt von dem Reiter Hotvig, der sie am Ufer des Ymstrecca gefangen genommen hatte. Er trat vor und blickte sich in dem düsteren Pferch um.
»Josua? Komm her.«
»Was willst du?«, fragte der Prinz ruhig.
»Der Mark-Than will mit dir sprechen. Sofort.« Zwei von Hotvigs Männern kamen näher und senkten die Speerspitzen. Deornoth suchte Josuas Blick, aber der Prinz wandte sich ab und ging langsam zwischen den beiden Thrithingsmännern hinaus. Hinter ihnen schob Hotvig das hohe Gatter zu. Der hölzerne Riegel knarrte in seine Halterung zurück.
»Ihr glaubt doch nicht … dass sie ihm etwas tun werden, Deornoth?«, fragte Strangyeard. »Sie würden doch dem Prinzen nichts antun?«
Deornoth sank auf die schlammige Erde. Tränen rollten ihm über die Wangen.
Das Innere von Fikolmijs Wagen roch nach Fett und Rauch und geöltem Leder. Der Mark-Than blickte von seiner Rinderkeule auf, nickte Hotvig verabschiedend zu und widmete sich dann weiter dem Essen. Josua ließ er wartend an der Tür stehen. Sie waren nicht allein. Der Mann neben Fikolmij war einen halben Kopf größer als Josua und kaum weniger muskulös als der breitschultrige Mark-Than. Sein bis auf einen langen Schnurrbart glattrasiertes Gesicht wurde von einigen planvoll zugefügten Narben verziert. Er erwiderte den Blick des Prinzen mit offener Verachtung. Eine mit klirrenden Armreifen beladene Hand senkte sich und liebkoste den Griff seines langen Krummschwertes.
Josua hielt seinem Blick aus schmal gewordenen Augen eine Weile stand und sah sich dann unauffällig um. Er bemerkte die erstaunliche Menge von Geschirren und Sätteln, die an der Decke und den Wänden des Wagens hingen. Unzählige Silberbeschläge glitzerten im Feuerschein.
»Du hast ein paar von den Vorzügen der Bequemlichkeit entdeckt, Fikolmij«, sagte Josua und musterte die Teppiche und
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