Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Durch die verschlungenen Spuren von Blutergüssen und Striemen war jedoch schwer zu deuten, was der Prinz wirklich empfinden mochte. »Du …? Seit wann weißt du es? Du hast mir… nichts erzählt.«
»Ich weiß es seit kurz vor Naglimunds Fall«, antwortete Vara. »Ich hatte Angst, es dir zu sagen.«
Josua sah, wie die Tränen neue Furchen über ihre staubigen Wangen zogen. Er hob die Hand, berührte kurz ihren Arm und ließ die Finger dann wieder in den Schoß sinken. Von Vara schaute er zu Geloë auf. Einen langen Augenblick begegneten sich ihre Blicke; es war, als tauschten sie Gedanken aus.
»Beim Vierfüßigen«, knurrte Fikolmij. »Eine Verlobung durch ein Kind also? Wenn es überhaupt seines ist!«
»Natürlich ist es seines, du Schwein!«, zischte Vara empört. »Niemand sonst kommt in Frage.«
Mit klirrenden Stiefelschnallen trat Utvart vor. Seine Schwertspitze krachte auf die Bodenbretter und bohrte sich einen halben Zoll tief in das Holz. »Ein Zweikampf, dann«, sagte er in zögerndem Westerling. »Bis zum Tod fechten wir.« Und nach einem Seitenblick auf Geloë, etwas ruhiger: »Vara Mark-Than-Tochter, sie ist der Preis.« Wieder sah er auf Josua und zog das Schwert aus den Dielen. Die große gebogene Klinge glitt so leicht heraus wie eine Feder. »Ein Zweikampf.«
Josuas Augen waren hart. Mit aufgesprungenen Lippen bestätigte er: »Bei Gott, es gilt.«
Deornoth starrte dem Prinzen ins zerschlagene Gesicht. »Morgen früh?«, schrie er so laut, dass einer der Wächter die Brauen zusammenzog. Die gegen die Kälte in dicke Wollmäntel gehüllten Thrithingmänner machten nicht den Eindruck, als seien sie über ihren Posten auf der zugigen Stierweide besonders begeistert. »Warum gewähren sie Euch nicht einfach einen sauberen Tod?«
»Es ist eine Chance«, erwiderte Josua und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
»Was für eine Chance?«, erkundigte Deornoth sich bitter. »Dassein einhändiger Mann, den man blutig geprügelt hat, morgen aufsteht und einen Riesen bezwingt? Barmherziger Ädon, wenn ich diese Schlange Fikolmij nur einmal in die Finger bekäme …«
Josuas einzige Reaktion war blutiges Ausspeien in den Schlamm.
»Der Prinz hat recht«, warf Geloë ein. »Es ist eine Chance. Alles ist besser als nichts.«
Die Zauberfrau war in den Bullenpferch zurückgekehrt, um sich um den Prinzen zu kümmern. Die Wachen hatten sich beeilt, zur Seite zu treten, um sie durchzulassen; etwas über ihre Fähigkeiten war in schnellem Geflüster durch das Lager gegangen. Vara hatte sie nicht begleitet. Man hatte sie im Wagen ihres Vaters eingesperrt, das Gesicht feucht von Tränen des Kummers und der Wut.
»Aber Ihr hattet die Oberhand«, sagte Deornoth zu der Zauberfrau. »Warum schlugt Ihr nicht zu? Warum ließt Ihr zu, dass er nach den Wachen schickte?«
Geloës gelbe Augen blitzten im Fackelschein. »Ich hatte keineswegs die Oberhand. Ich habe Euch schon einmal gesagt, Herr Deornoth, dass ich mich auf Kriegszauber nicht verstehe. Ich bin aus der Umzäunung herausgekommen, ja, aber alles andere war Täuschung. Und wenn Ihr nun über Dinge schweigen wollt, von denen Ihr nichts versteht, dann werde ich meine wirklichen Fähigkeiten nutzbringend anwenden.« Sie widmete sich wieder dem Prinzen.
Wie ist sie eigentlich wirklich aus der Einfriedung herausgekommen? Die Frage ließ Deornoth nicht los. Gerade war Geloë noch am anderen Ende der Bullenkoppel in den Schatten herumgewandert, und auf einmal war sie verschwunden gewesen. Er schüttelte den Kopf. Solche Auseinandersetzungen waren sinnlos, und er selbst war in letzter Zeit auch nicht zu viel nutze gewesen. Er legte die Hand auf Josuas dünnen Arm. »Wenn ich irgendwie helfen kann, mein Prinz, dann sagt es bitte.« Er sank in die Knie und sah die Zauberfrau an. »Verzeiht mir meine unbedachten Worte, Valada Geloë.«
Sie brummte irgendetwas Zustimmendes. Deornoth stand wieder auf und entfernte sich.
Der Rest der halbverhungerten Truppe saß am anderen Feuer.
Die Thrithingmänner, die nicht ganz und gar unbarmherzig waren, hatten ihnen Reisig und Zweige dazu gegeben. Nein, sie warennicht unbarmherzig, dachte Deornoth, aber auch nicht dumm: Der armselige Brennstoff würde das Allernotwendigste an Wärme spenden, ließ sich aber nicht wie ein brennender, dicker Ast als Waffe verwenden.
Der Gedanke an Waffen machte ihn nachdenklich. Er setzte sich zwischen Sangfugol und Vater Strangyeard.
»Eine üble Art, die Dinge zu Ende zu bringen«,
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