Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
»Habt Ihr den Hengst dort gesehen, Prinz?«
Josua, der am anderen Ende der Koppel am Tor lehnte, winkte ihm zu. Der Kopf des Prinzen war mit Leinenbinden umwickelt, und er bewegte sich so langsam, als hätte er alle Knochen im Leibe gebrochen; aber er hatte darauf bestanden, mit hinauszukommen, um beim Ernten der Früchte seiner Wette zu helfen. Da Fikolmij schon allein bei dem Gedanken, Josua dabei zusehen zu müssen, wie er sich aus den persönlichen Gattern des Mark-Thans dreizehn gute Thrithingpferde aussuchte, vor Wut schier der Schlag rührte, hatte er sich durch seinen Randwächter Hotvig vertreten lassen. Statt jedoch die Ansichten seines Thans über die Besucher zu teilen, schien Hotvig ihnen eher Sympathien entgegenzubringen, besonders Prinz Josua. Im Grasland kam es nur selten vor, dass ein einhändiger Mann einen Gegner tötete, der anderthalbmal so groß war wie er selbst.
»Wie heißt der Rote?«, fragte Josua Fikolmijs Pferdehüter, einen drahtigen, schon recht alten Mann mit dünnem Haar.
»Vinyafod«, erwiderte dieser und drehte ihm den Rücken zu.
»Das bedeutet ›Windfuß‹, … Prinz Josua.« Der Titel kam Hotvig schwer über die Lippen. Der Randwächter ging zu dem Hengst hinund legte ihm einen Strick um den Hals. Dann führte er das widerstrebende Tier dem Prinzen zu.
Josua musterte es von Kopf bis Fuß und lächelte. Unerschrocken griff er in die Höhe und zog dem Pferd die Unterlippe herunter, sodass die Zähne sichtbar wurden. Der Hengst schüttelte den Kopf und wollte zurückweichen, aber Josua griff erneut nach seiner Lippe. Nach wiederholtem nervösem Kopfschütteln ließ sich das Pferd dann doch untersuchen, und nur die blinzelnden Augen verrieten seine Furcht. »Den hier werden wir ganz bestimmt mitnehmen«, erklärte Josua, »auch wenn sich Fikolmij wohl kaum darüber freuen wird.«
»Gewiss nicht«, bestätigte Hotvig feierlich. »Ginge es nicht um seine Ehre vor allen Stämmen, würde er euch töten, wenn ihr auch nur in die Nähe dieser Pferde kämet. Vinyafod hier gehörte zu dem Anteil an Blehmunts Beute, den Fikolmij für sich selbst verlangte, als er Anführer der Stämme wurde.«
Josua nickte. »Ich will den Mark-Than nicht so reizen, dass er uns verfolgt und ermordet, Versprechen oder nicht. Deornoth, such du die anderen aus; ich vertraue deinem Pferdeverstand mehr als meinem. Auf jeden Fall nehmen wir Vinyafod – ich denke, ich werde ihn selbst behalten. Ich habe es satt, mich hinkend von einem Ort zum andern zu bewegen. Aber wie gesagt, wir wollen die Herde nicht so plündern, dass wir Fikolmij zu sehr beschämen.«
»Ich werde sorgfältig wählen, Herr.« Deornoth trat hinaus auf die Koppel. Als der Pferdehüter ihn kommen sah, versuchte er, sich davonzustehlen, aber Deornoth ergriff den Alten beim Ellenbogen und machte sich daran, ihm Fragen zu stellen. Der Pferdehüter gab sich die größte Mühe, so zu tun, als verstehe er ihn nicht.
Josua sah mit leisem Lächeln zu und verlagerte dabei das Gewicht vom einen auf den anderen Fuß, um seinen schmerzenden Körper zu entlasten. Hotvig beobachtete ihn lange aus dem Augenwinkel und fragte dann endlich: »Du sagst, dass ihr nach Osten wollt, Josua. Warum?«
Der Prinz betrachtete ihn neugierig. »Es gibt viele Gründe, darunter einige, über die ich nicht sprechen kann. Aber hauptsächlich ist es deshalb, weil ich einen Ort finden muss, von dem aus ich meinemBruder und dem Unheil, das er angerichtet hat, Widerstand leisten kann.«
Hotvig nickte übertrieben ernsthaft mit dem Kopf. »Es sieht aus, als gäbe es noch mehr von deiner Sippe, die ebenso empfinden.«
»Was meinst du damit?«, fragte Josua überrascht.
»Es gibt andere Steinhäusler, die angefangen haben, sich östlich von hier niederzulassen. Darum hat uns auch Fikolmij so weit in den Norden unserer gewöhnlichen Weideplätze geführt; er wollte sichergehen, dass diese Neuankömmlinge nicht in unser Gebiet eindringen.« Über Hotvigs narbiges Gesicht huschte ein Grinsen. »Es gab auch noch andere Gründe für unseren Stamm hierherzukommen. Der Mark-Than der Wiesen-Thrithinge hat beim letzten Treffen der Stämme versucht, ein paar von unseren Randwächtern abzuwerben, darum wollte Fikolmij seine Leute möglichst weit weg von den Wiesen-Thrithingen wissen. Man fürchtet Fikolmij, aber man liebt ihn nicht. Viele Wagen haben den Stamm des Hengstes bereits verlassen …«
Josua machte eine ungeduldige Gebärde. Das ständige Gezänk unter den Stämmen der
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