Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Thrithinge war sprichwörtlich. »Was sind das für Steinhäusler, von denen du gesprochen hast? Wer sind sie?«
Hotvig zuckte die Achseln und zupfte an seinem geflochtenen Bart. »Wer kann das sagen? Sie kamen aus dem Westen – ganze Familien, manche in Wagen, wie unser Volk, manche zu Fuß –, aber sie gehören nicht zu uns und sind keine Männer und Frauen der Thrithinge. Schon beim vorletzten Treffen der Stämme berichteten unsere Kundschafter von ihnen, aber sie durchwanderten nur den Norden der Hoch-Thrithinge und kamen nicht wieder.«
»Wie viele?«
Wieder zuckte der Thrithingmann die Achseln. »Manche sagen, so viele wie zwei oder drei von unseren kleineren Stämmen.«
»Also vielleicht ein-, zweihundert.« Der Prinz schien seine Schmerzen für einen Augenblick vergessen zu haben, denn sein Gesicht hellte sich auf, während er über diese Neuigkeit nachdachte.
»Aber das waren nicht alle, Prinz Josua«, fuhr Hotvig bedächtig fort. »Das war nur eine Gruppe. Seither sind noch weitere gekommen. Ich selbst habe alles in allem vielleicht zwei Handvoll gesehen.Sie sind arm und haben keine Pferde, darum erlauben wir ihnen, unser Land wieder zu verlassen.«
»Uns habt ihr nicht gehen lassen, obwohl wir alle miteinander nicht einmal ein Pony besaßen.« Josua lächelte bitter.
»Das lag daran, dass Fikolmij wusste, wer du warst. Die Randwächter beobachteten euch schon mehrere Tage.«
Deornoth kam zurück, im Schlepptau den brummelnden Pferdehüter. »Ich habe gewählt, Herr. Darf ich Euch zeigen, was ich gefunden habe?« Er wies auf einen langbeinigen Fuchs. »Nachdem Ihr Euch den roten Vinyafod ausgesucht habt, Prinz Josua, habe ich mir auch etwas Rotes genommen. Vildalix ist sein Name – ›Wildglanz‹.«
»Er ist prachtvoll«, lachte Josua. »Weißt du, Deornoth, mir fällt gerade ein, was du über Thrithingpferde gesagt hast. Nun hast du sie, so wie du es dir gewünscht hast.«
Deornoth warf einen Blick auf Josuas Verbände. »Herr, der Preis war zu hoch.« In seinem Blick lag Kummer.
»Zeig mir den Rest unserer neuen Herde«, forderte Josua ihn auf.
Als der Prinz und seine Begleiter von der Weide zurückkehrten, trat ihnen Vara entgegen. Hotvig warf einen Blick auf ihre Miene und verzog sich.
»Was für eine Torheit, hier so herumzulaufen!«, fuhr die Tochter des Thans Deornoth an. »Wie konntet Ihr ihn so lange in Anspruch nehmen? Es geht ihm ganz und gar nicht gut!«
Deornoth erwiderte nichts, sondern verbeugte sich nur. Josua lächelte. »Friede, Herrin«, sagte er. »Es ist nicht Deornoths Schuld. Ich selbst wollte die Pferde sehen, weil ich ganz bestimmt vorhabe, mich nicht zu Fuß, sondern zu Ross von hier zu entfernen.« Er lachte bekümmert. »Nicht, dass ich im Augenblick mehr als eine Achtelmeile zu Fuß zurücklegen könnte, auch wenn mein Leben davon abhinge. Aber ich werde mich erholen.«
»Nicht, wenn du hier draußen in der Kälte herumstehst.« Vara blickte Deornoth scharf an, als wollte sie ihn herausfordern, ihr zu widersprechen. Sie nahm Josuas Arm, passte ihren Gang seinen unsicheren Schritten an, und gemeinsam setzten die drei den Rückweg ins Lager fort.
Der Prinz und seine Begleiter waren noch immer auf der Bullenkoppel untergebracht. Fikolmij hatte geknurrt, wenn er eine Wette verloren habe, sei das noch lange kein Grund, elende Steinhäusler wie Stammesgenossen zu behandeln. Aber einige der großmütigeren Bewohner der Thrithinge hatten sie mit Decken, Stricken und Zeltstöcken versorgt. Fikolmij war kein König; zwar vermieden die Menschen, die den Gefangenen ihre Hilfe antrugen, es tunlichst, den Weg durch das Lager des Mark-Thans zu nehmen, aber sie schämten und fürchteten sich nicht, entgegen seinen Wünschen zu handeln.
Unter Führung der praktisch veranlagten Herzogin Gutrun hatten Josuas Gefährten aus den Hilfsgütern recht schnell einen stabilen Unterstand errichtet, der an drei Seiten geschlossen war und ein Dach aus einer doppelten Lage dicker Wolldecken besaß. Das half, den größten Teil des kalten Regens abzuhalten, der täglich heftiger zu fallen schien.
Über den Thrithingen hing der grauschwarze Himmel bedrohlich niedrig, als hätten ihm gewaltige Hände das Grasland entgegengehoben. Diese Schlechtwetterperiode, die seit einer Woche ununterbrochen anhielt und davor schon über einen Monat lang immer wieder aufgetreten war, wäre sogar für einen Vorfrühling ungewöhnlich gewesen. Jetzt aber befand man sich im Hochsommer, und das Volk des
Weitere Kostenlose Bücher