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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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werden und das Licht verschlucken wie Blei.
    »Eigenartig, nicht wahr?«, meinte Vater Strangyeard. »Wenn man bedenkt, was wir schon alles gesehen haben … heiliger Himmel, was wird die Welt uns noch zeigen?«
    »Es hat etwas ungemein … Lebendiges«, erwiderte Deornoth mitschmalen Augen. Ein Kringel aus Licht hüpfte über die erregte Haut des Flusses wie ein strahlender Fisch, der gegen die Strömung ankämpft.
    »Nun, es ist alles … hmmm … ein Stückchen von Gott«, erklärte Strangyeard und zeichnete einen Baum auf seine Brust, »darum muss es natürlich lebendig sein.« Auch er starrte mit zusammengekniffenen Augen aufs Wasser. »Aber ich verstehe schon, was Ihr meint, Herr Deornoth.«
    Während sie durch die Talsohle ritten, hatte sich die Flusslandschaft gründlich verändert. Weiden standen schläfrig am Ufer, zitternd über das kalte Wasser gebeugt wie Frauen, die sich die Haare waschen. Während sie weiterritten, wurde der Fluss breiter und träger. An den Rändern wuchsen Schilfdickichte, voll von glänzenden Vögeln, die aus ihren Nestern kreischten, um ihre Artgenossen vor den vorüberziehenden Fremden zu warnen.
    Fremde , dachte Deornoth. Auf einmal scheinen wir Fremde zu sein. Als hätten wir das Land, das unserem Volk bestimmt ist, verlassen und wären in das Gebiet einer anderen Rasse eingedrungen. Geloës Worte fielen ihm ein, als sie ihr vor Wochen im Wald das erste Mal begegnet waren: » Manchmal seid ihr Menschen wie Eidechsen – die sich auf den Steinen eines verfallenen Hauses sonnen und dabei denken: ›Was hat man uns da doch für einen schönen Platz zum Sonnenbaden gebaut‹.« Die Zauberfrau hatte dabei die Stirn gerunzelt.
    Sie hat uns gesagt, wir befänden uns im Land der Sithi, erinnerte er sich. Jetzt betreten wir von neuem ihr Gebiet. Das ist alles – das ist der Grund, warum uns die Dinge so fremdartig erscheinen.
    Aber dennoch wollte das unbehagliche Gefühl nicht weichen.
    Sie lagerten auf einer Wiese. Hier und da schauten Feenringe, wie Ielda sie genannt hatte, aus dem niedrigen Gras, regelmäßige Kreise aus kleinen weißen Pilzen, die sich in der Dämmerung matt leuchtend vom dunklen Rasen abhoben. Herzogin Gutrun hielt nichts davon, so dicht bei den Ringen zu schlafen, aber Vater Strangyeard erläuterte ihr ganz vernünftig, dass nach den Worten der Bewohner von Gadrinsett dieses ganze Land Eigentum der »Feen« sei, sodass die Nachbarschaft eines Ringes aus Pilzen wohl kaum etwas ausmachenkönne. Gutrun, weniger um sich selbst als um die Sicherheit der kleinen Leleth besorgt, gab trotz ihrer Bedenken nach.
    Ein kleines Feuer aus Weidenzweigen, die sie unterwegs gesammelt hatten, half ihnen, sich etwas weniger fremd zu fühlen. Der Prinz und seine Begleiter aßen und setzten dann ihre leisen Gespräche bis tief in die Nacht hinein fort. Der alte Strupp, der auf der ganzen Reise so viel und fest geschlafen hatte, dass er allmählich mehr ein Gepäckstück als ein Mitglied der Gesellschaft zu sein schien, erwachte und blickte von seinem Lager hinauf in den Nachthimmel.
    »Die Sterne stimmen nicht«, sagte er schließlich so leise, dass ihn keiner hörte. Er wiederholte es lauter. Josua kam und kniete bei ihm nieder. Er nahm die zitternde Hand des Narren.
    »Was hast du, Strupp?«
    »Die Sterne – sie stimmen nicht.« Der alte Mann entzog ihm seine Hand und deutete zum Himmel. »Dort ist die Lampe, aber sie hat einen Stern mehr, als sie haben sollte. Und wo ist der Krummstab? Er dürfte erst nach der Erntezeit nicht mehr sichtbar sein. Und es stehen noch andere dort, die ich gar nicht kenne.« Seine Lippen bebten. »Wir sind alle tot. Wir sind ins Schattenland gegangen, wie meine Großmutter es immer erzählt hat. Wir sind gestorben.«
    »Ruhig«, sagte Josua sanft. »Wir sind nicht tot. Wir befinden uns lediglich an einem anderen Ort, und du hast unterwegs immer wieder lange geträumt.«
    Strupp heftete einen erstaunlich scharfen Blick auf ihn. »Wir haben Anitul, oder etwa nicht? Haltet mich nicht für altersblöde, ganz gleich, was ich durchgestanden habe. Ich beobachte den Sommerhimmel fast doppelt so lange, junger Prinz, wie Ihr alt seid. Vielleicht haben wir den Ort gewechselt, aber die Sterne sind in ganz Osten Ard dieselben.«
    Josua schwieg eine Weile. Vom Lagerfeuer hinter ihm klang gedämpftes Stimmengewirr herüber. »Ich meinte nicht, dass du den Verstand verloren hättest, alter Freund. Wir reisen durch ein seltsames Land, und wer weiß, was für Sterne

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