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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Geloë endlich. »Die Schwierigkeit, eine ›weise Frau‹ zu sein, liegt darin, dass man manchmal gerade genug weiß, um berechtigte Furcht zu empfinden, aber trotzdem keine besseren Antworten hat als das kleinste Kind. Ich habe Angst vor dem Sturm, der heraufzieht. Er, der unser wahrer Feind ist – ich will seinen Namen hier in diesem Land nicht nennen, nicht unter freiem Himmel –, hat den Gipfel seiner Macht fast erreicht. Jetzt nähern sich aus dem Norden schwarze Unwetter. Ich bin überzeugt, dass dieser Sturm von ihm kommt. Wenn ich mich nicht täusche, wird er alles vernichten, das sich ihm entgegenstellt.«
    Deornoth folgte ihrem Blick. Die unheildrohenden Wolken kamen ihm plötzlich vor wie eine tintenschwarze Hand, die sich von Norden her über den Himmel streckte, blind, aber geduldig suchend. Der Gedanke, abzuwarten, bis diese Hand sie gefunden hatte, erfüllte ihn mit jäher, lähmender Furcht, sodass er vor sich auf den Sattel starrte und es einen Moment dauerte, bevor er Geloës gelbem Blick erneut begegnen konnte.
    »Ich verstehe«, sagte er.
    Durch schmale Risse in den Wolken fiel nur gelegentlich etwas Sonnenlicht. Der Wind hatte sich gedreht und blies ihnen jetzt schwer und feucht ins Gesicht. Während sie dem Verlauf des Tals folgten, zeigte sich hinter einer scharfen Biegung des Stefflod zum ersten Mal wieder der alte Wald, Aldheorte. Der riesige Forst lag weit näher, als Deornoth vermutet hätte; ihre Reise zu Pferde war eben doch viel schneller gegangen als der mühsame Marsch durch die Thrithinge.Weil sie durch das tiefer gelegene Flusstal ritten, ragte der Wald jetzt auf den Höhen vor ihnen auf, eine feste Linie aus Pflanzenwuchs, die den Nordrand des Tals wie dunkle Klippen abschloss.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte Geloë.
    Sie ritten bis zum Nachmittag weiter. Die Sonne glitt hinter ihrem Vorhang über den Himmel und glühte durch grauen Dunst. Eine neue Kurve des Flusslaufs führte sie um ein paar niedrige Hügel. Jäh hielten sie an.
    »Barmherziger Ädon«, hauchte Deornoth.
    »Sesuad’ra«, erklärte Geloë. »Der Stein des Abschieds.«
    »Aber das ist kein Stein«, stotterte Sangfugol fassungslos. »Das ist ein Berg!«
    Vor ihnen aus dem Talboden ragte ein gewaltiges Gebilde. Anders als seine flachen, rundlichen Nachbarn reckte sich Sesuad’ra aus den Wiesen wie der Kopf eines begrabenen Riesen, baumbärtig und gekrönt von einem Kranz eckiger Steine um seinen Gipfel. Inmitten der dornenspitzen Steine war etwas schimmernd Weißes zu erkennen. Sesuad’ra war ein ungeheurer, zum Himmel drängender Block aus verwittertem Fels und dichtem Laubwerk, der sich gut fünfhundert Ellen über dem Fluss erhob. Das wechselhafte Sonnenlicht umspülte seine Höhen, sodass es fast den Anschein hatte, als drehe sich der ganze Berg um und schaue ihnen entgegen, während sie langsam den Fluss hinunterritten.
    »Er hat viel Ähnlichkeit mit dem Thisterborg, unweit des Hochhorstes«, sagte Josua staunend.
    »Das ist kein Stein«, wiederholte Sangfugol hartnäckig und schüttelte den Kopf.
    Geloë lachte laut auf. »Und ob es ein Stein ist ! Sesuad’ra gehört zu den innersten Gebeinen der Erde, die sie damals in den Tagen des Feuers unter Schmerzen aus ihrem Körper herauspresste. Noch immer reicht er hinunter bis in ihr innerstes Herz.«
    Vater Strangyeard beäugte den gewaltigen Felsen unruhig. »Und dort werden wir … werden wir … bleiben? Dort leben?«
    Die Zauberfrau lächelte. »Es ist uns gestattet.«
    Als sie näher herankamen, zeigte sich, dass der Stein nicht so glatt war, wie er aus der Ferne gewirkt hatte. Ein Pfad zog sich wie einlichter Streifen durch das wuchernde Gestrüpp der Bäume und Büsche, umrundete den Fuß des Berges, wurde weiter oben wieder sichtbar und wand sich dann spiralförmig zum Gipfel hinauf, bis er in der Höhe verschwand.
    »Wie können auf einem solchen Stein Bäume wachsen?«, fragte Deornoth. »Können sie auf dem kahlen Fels überhaupt Wurzeln schlagen?«
    »In den Jahrmillionen seines Daseins ist Sesuad’ra rissig und brüchig geworden«, antwortete Geloë. »Pflanzen finden immer einen Weg und helfen dann ihrerseits dabei, den Stein weiter zu spalten, bis er zu Erde zerbröselt, wie man sie auch auf einem Landgut in Hewenshire kaum fruchtbarer findet.«
    Bei dieser Anspielung auf seinen Geburtsort zog Deornoth die Stirn in leichte Falten und fragte sich, woher die weise Frau den Hof seines Vaters kannte. Ganz bestimmt hatte er ihr nie etwas davon

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