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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erzählt.
    Schon bald bewegten sie sich im übergangslosen Dämmerlicht des langen Bergschattens, vorwärtsgepeitscht von einem eisigen Wind. Vor ihnen lag der Pfad, der vom Fuß des Sesuad’ra nach oben führte, eine an den Hang geschmiegte, ausgetretene Schneise aus Gras und Moos, überwachsen mit Bäumen und Schlingpflanzen.
    »Und dort wollen wir hinauf?«, fragte Herzogin Gutrun mit einiger Bestürzung. »Ganz nach oben?«
    »Natürlich«, bestätigte Geloë ungeduldig. »Es ist der höchstgelegene Ort auf Meilen im Umkreis. Und wenn wir jetzt etwas brauchen, dann ist es ein hochgelegener Ort. Es gibt aber auch andere Gründe – muss ich sie alle wiederholen?«
    »Nein, Valada Geloë. Ich bitte Euch, führt uns.« Aus Josua schien ein inneres Feuer zu strahlen. Sein blasses Gesicht loderte vor Erregung. »Hier ist der Ort, den wir gesucht haben. Von hier aus werden wir unseren langen Rückweg beginnen.« Einen Augenblick verdüsterte sich seine Miene. »Ich frage mich nur, was Hotvig und seine Leute sagen werden, wenn sie ihre Wagen unten lassen müssen. Zu schade, dass es keine Möglichkeit gibt, sie bergauf zu schaffen.«
    Die weise Frau winkte mit der schwieligen Hand. »Ihr sorgt Euch zu früh. Kommt her und lasst Euch überraschen.«
    Sie ritten zu ihr. Unter dem dichten Gras war der Pfad bergan so eben wie ein Korridor im alten Naglimund und breit genug für jeden Wagen.
    »Aber wie kann das sein?«, fragte Josua.
    »Ihr vergesst«, versetzte Geloë, »dass hier Sithi gewohnt haben. Unter diesen Dornen liegt die Straße, die sie erbauten. Es dauert viele, viele Jahrhunderte, bis ein Werk der Zida’ya zerstört ist.«
    Josua hatte Bedenken. »Ich bin erstaunt, aber jetzt mache ich mir noch größere Sorgen. Was kann unsere Feinde daran hindern, den Berg genauso leicht zu ersteigen wie wir?«
    Geloë schnaubte verächtlich. »Erstens ist es leichter, eine Höhe zu verteidigen, als sie von unten her einzunehmen. Zweitens wehrt sich die Natur des Ortes selbst dagegen. Und drittens – und das ist vielleicht das Wichtigste – fängt sich unser Feind vielleicht in den Schlingen seines eigenen Zorns und sichert so unser Überleben, zumindest für eine Weile.«
    »Wie das?«, fragte der Prinz.
    »Ihr werdet sehen.« Geloë trieb ihr Pferd auf den Pfad. Vor ihr im Sattel hüpfte Leleth auf und ab. Die großen braunen Augen des Kindes nahmen alles auf, zeigten jedoch keinerlei Gefühlsregung. Josua ritt achselzuckend hinterher.
    Deornoth drehte sich um und sah Vara, die stocksteif auf ihrem Pferd saß, die Zähne in grimmiger Furcht zusammengebissen. »Was ist, Herrin?«, fragte er. »Fehlt Euch etwas?«
    Sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln. »Seit ewigen Zeiten hasst und fürchtet mein Volk dieses Tal. Hotvig ist ein echter Mann der Stämme und zeigt es nicht, aber auch er hat Angst.« Sie seufzte unruhig. »Nun muss ich meinem Gatten auf diesen unnatürlichen Felsen folgen. Ich fürchte mich.«
    Zum ersten Mal, seitdem sein Prinz diese fremde Frau in die Burg von Naglimund mitgebracht hatte, fühlte Deornoth, wie sein Herz ihr entgegenschlug und sich mit Bewunderung füllte. »Wir alle fürchten uns zu Tode, Herrin«, sagte er. »Wir sind nur nicht so ehrlich wie Ihr.«
    Er gab Vildalix mit den Fersen einen sanften Rippenstoß und folgte Vara auf dem Pfad nach oben.
    Der Weg war so mit herabhängenden Ranken und ineinanderwuchernden Zweigen zugewachsen, dass die Reiter ebenso oft die Köpfe einziehen mussten, wie sie aufrecht reiten konnten. Als sie auf ihrer Kreisbahn langsam aus dem Schatten herauskamen wie Ameisen, die um den Rand einer Sonnenuhr kriechen, traten sie in ein Nachmittagslicht, dem der Dunst, der über dem Berg lag, ein ungewöhnliches Funkeln verlieh.
    Am stärksten fiel Deornoth der Geruch des Berges auf. Sesuad’ra duftete nach endlosem Wachstum, nach Wasser, Wurzeln und feuchter Erde, die lange Zeit von niemandem gestört worden war. Ein Hauch von Frieden lag über dem Ort, von langem, tiefem Sinnen, aber auch ein beunruhigendes Gefühl von wacher Aufmerksamkeit. Von Zeit zu Zeit unterbrach das Zwitschern unsichtbarer Vögel die Stille. Ihre Lieder kamen zögernd und klangen feierlich wie das Flüstern von Kindern in einer hochgewölbten Halle.
    Als die grasigen Wiesen allmählich hinter ihnen zurückblieben, kamen die Reiter an hohen Statuen vorbei, von der Zeit glattgeschliffene weiße Gebilde von fast doppelter Mannshöhe, deren ursprüngliche Formen nicht mehr zu erkennen waren.

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