Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
sind wir sicher.« Er winkte den anderen zu, ihm zu folgen, und sah sich dann weiter nach allen Seiten um. »Ich nehme zurück, was ich gesagt habe!«, rief er Geloë zu. »Mit ein paar guten Männern in meinem Rücken könnte ich mich hier so verschanzen, dass selbst Herr Camaris mich nicht besiegen könnte, und hätte er alle Ritter der Großen Tafel meines Vaters an seiner Seite!«
Er eilte auf die bleichen Mauern zu, die inzwischen eine bläuliche Färbung angenommen hatten. Es war Abend geworden. Seine Gefährten, leise miteinander sprechend, folgten ihm durch das wogende Gras.
25
Blütenblätter im Sturm
s ist ein dummes Spiel«, erklärte Simon. »Es ergibt keinen Sinn.«
Aditu hob eine Braue. »Wirklich nicht!«, beharrte er. »Seht doch selbst. Ihr könntet gewinnen, wenn Ihr nur hierhin setztet«, er deutete auf das Spielbrett, »und hierhin«. Als er aufsah, begegnete er Aditus goldenen Augen, in denen Lachen und Spott lagen. »Oder etwa nicht?«, schloss er.
»Natürlich, Seoman.« Sie schob die polierten Steine so, wie er es vorgeschlagen hatte, über das Spielbrett, über ein Meer aus saphirblauen Wellen von einer goldenen Insel zur anderen. Den gemalten Ozean umgab ein Rand aus scharlachroten Flammen und trüben, grauen Wolken. »Aber dann ist das Spiel aus, und wir haben erst die seichtesten Gewässer erkundet.«
Simon schüttelte den Kopf. Seit Tagen strengte er sich nun schon an, die verzwickten Regeln des Shent zu erlernen, nur um festzustellen, dass man ihn lediglich in die allerersten Anfangsgründe eingeweiht hatte. Wie konnte man ein Spiel lernen, bei dem es nicht ums Gewinnen ging? Aber Aditu versuchte, zumindest soweit Simon das sagen konnte, auch nicht absichtlich zu verlieren. Vielmehr schien es darauf anzukommen, den Reiz des Spiels durch zusätzliche Aufgaben und Rätsel zu erhöhen, von denen die meisten so weit außerhalb von Simons Begriffsvermögen lagen wie die Beschaffenheit des Regenbogens.
»Wenn es dich nicht kränkt«, meinte Aditu lächelnd, »darf ich dir dann einen anderen Weg zeigen?« Sie setzte die Spielsteine wieder an die vorherige Stelle. »Wenn ich hier meine Lieder nehme, um dort eine Brücke zu bauen« – ein paar geschwinde Bewegungen –, »dann kannst du zu den Inseln der verbannten Wolke gelangen.«
»Aber warum wollt Ihr mir helfen?« Von irgendwoher erklang ein Saiteninstrument; hätte Simon nicht gewusst, dass sie in den luftigen, nach Nektar duftenden Hallen von Aditus Haus ganz allein waren, hätte er geglaubt, im nächsten Raum spiele ein Musikant. Er hatte aufgehört, über solche Dinge nachzugrübeln, konnte aber dennoch ein unwillkürliches Zusammenschauern nicht unterdrücken. Die Musik überlief ihn so unheimlich und prickelnd, als laufe etwas Kleines und unendlich Vielbeiniges über seine Haut. »Wie kann man ein Spiel gewinnen, wenn man dem anderen ständig hilft?«
Aditu lehnte sich vom Spielbrett zurück. Zu Hause war sie ebenso spärlich bekleidet wie auf den Spazierwegen von Jao é-Tinukai’i, wenn nicht noch spärlicher. Simon, den der Anblick ihrer so freizügig dargebotenen goldenen Glieder noch immer verlegen machte, starrte angestrengt auf die Spielsteine.
»Menschenkind«, sagte Aditu, »ich glaube, dass du es lernen kannst. Ich glaube sogar, dass du schon auf dem Wege dazu bist. Aber bedenke, dass wir Zida’ya dieses Spiel schon seit Urzeiten spielen. Erste Großmutter sagt, wir hätten es aus dem Verschollenen Garten mitgebracht.« Sie legte ihm versöhnlich die Hand auf den Arm. Simon bekam eine Gänsehaut. »Man kann Shent auch nur zum Vergnügen spielen. Ich habe Partien gespielt, bei denen es nur um eine Plauderei und freundlichen Spott ging und die ganze Strategie darauf ausgerichtet war. Andere Spiele kann man nur gewinnen, wenn man sie beinahe verliert. Und ich habe auch Partien erlebt, bei denen beide Spieler sich ernstlich Mühe gaben zu verlieren – obwohl es Jahre dauerte, bis es einem von ihnen gelang.« Irgendeine Erinnerung brachte ein kurzes Lächeln. »Siehst du nicht, Schneelocke, dass Gewinnen und Verlieren nur die Wände sind, in denen das Spiel stattfindet? Im Haus des Shent …« Sie hielt inne, und über ihr Quecksilbergesicht huschte ein Stirnrunzeln wie ein Schatten. »Es ist schwer, es in deiner Zunge auszudrücken.« Das Stirnrunzeln verschwand. »Vielleicht kommt es dir deshalb so unverständlich vor. Nun … das, worauf es im Haus des Shent ankommt, ist das Kommen und Gehen, sind die Besucher
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