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Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2

Titel: Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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er sich, um Euer Leben zu retten, oder doch wenigstens Eure Freiheit sicherzustellen.«
    Die Prinzessin merkte, dass ihr die Haare an der Stirn klebten. Der Raum war warm und feucht, und der undurchsichtige alte Mann auf der anderen Seite des Tischs lächelte wieder, so glücklich wie ein Kind, das ein neues Kunststück gelernt hat.
    »Ihr wollt mich hier festhalten?«, erkundigte sie sich langsam. »Ihr wollt meine Freiheit schützen, indem Ihr mich einsperrt?«
    Graf Streáwe griff zur Seite und zog an einem dunklen Strick, der fast unsichtbar vor einem zerknitterten Wandteppich hing. Irgendwo oben im Haus läutete eine Glocke. »Ich fürchte, so ist es, Liebes«, erklärte er. »Ich muss Euch festhalten, bis mein Freund mir eine anderslautende Botschaft schickt. Schuld ist Schuld, und einen Gefallen muss man erwidern.« Draußen auf der Türschwelle hörte man das Geräusch von Stiefeln. »Es ist wirklich zu Eurem Besten, Prinzessin, auch wenn Ihr es vielleicht noch nicht begreift.«
    »Das lasst mich gefälligst selbst beurteilen«, fauchte Miriamel. »Wie könnt Ihr! Wisst Ihr denn nicht, dass sich ein Krieg zusammenbraut? Dass ich Herzog Leobardis wichtige Nachrichten bringe?« Sie musste zum Herzog vordringen und ihn überzeugen,sich Josua anzuschließen. Sonst würde ihr Vater Naglimund zerstören und sein Wahnsinn niemals ein Ende finden.
    Der Graf keckerte. »Ach, mein Kind, Pferde reisen um so vieles langsamer als Vögel – selbst Vögel, die die Last schwerwiegender Neuigkeiten tragen. Ihr solltet wissen, dass Leobardis und sein Heer schon vor fast einem Monat nach Naglimund aufgebrochen sind. Wärt Ihr nicht so eilig, heimlich und verstohlen durch die Städte von Hernystir hindurchgeritten, hättet Ihr nur mit jemandem gesprochen, so hättet Ihr es erfahren.«
    Miriamel sank in ihrem Stuhl zusammen. Der Graf klopfte laut mit den Knöcheln auf den Tisch. Die Tür ging auf, und Lenti und seine beiden Helfershelfer, die noch ihre Kostüme trugen, traten ins Zimmer. Lenti hatte seine Totenmaske abgenommen; die mürrischen Augen spähten aus einem Gesicht, das rosiger, aber nicht wesentlich lebendiger war als das abgelegte.
    »Sorg für ihre Bequemlichkeit, Lenti«, befahl Streáwe. »Danach schließ die Tür hinter dir zu und komm wieder hierher, um mir in meine Sänfte zu helfen.«
    Während Cadrach, der bereits eingenickt war, vom Stuhl hochgezogen wurde, wandte Miriamel sich noch einmal an den Grafen. »Wie konntet Ihr so etwas tun!«, stieß sie hervor. »Ich hatte Euch stets in liebevoller Erinnerung – Euch und Euren verräterischen Garten!«
    »Ach ja, der Garten«, antwortete Streáwe. »Ja, den möchtet Ihr wiedersehen, nicht wahr? Zürnt mir nicht, Prinzessin. Wir werden noch miteinander sprechen – ich habe Euch viel zu erzählen. Unser Wiedersehen entzückt mich. Und wie erst der Gedanke, dass die blasse, schüchterne Hylissa ein so wildes Kind zur Welt gebracht hat!«
    Als Lenti und die anderen sie in den Regen hinausdrängten, erhaschte Miriamel einen letzten Blick auf Streáwe. Der Graf saß da und starrte auf das Tor, wobei er langsam mit dem weißhaarigen Kopf nickte.
    Sie brachten sie in ein hohes Haus, das voll war von staubigen Wandbehängen und uralten, knarrenden Treppen. Streáwes Schloss,hoch oben auf einem Vorsprung des Sta Mirore gelegen, war leer bis auf eine Handvoll schweigender Diener und Dienerinnen und ein paar unruhig wirkender Boten, die hinein- und herausschlüpften wie Wiesel durch ein Zaunloch.
    Miriamel bekam ein Zimmer für sich allein. Vielleicht war es einst hübsch gewesen, vor langer, langer Zeit. Jetzt zeigten die verschossenen Gobelins nur noch matte Gespenster von Menschen und Orten, und das Matratzenstroh war so alt und spröde und trocken, dass es ihr die ganze Nacht Geschichten zuflüsterte.
    Morgens zog sie sich mit Hilfe einer grobgesichtigen Frau an, die verkniffen lächelte und kaum sprach. Cadrach hatte man an irgendeinen anderen Ort gesteckt, sodass sie den lieben langen Tag keinen Menschen traf, mit dem sie hätte reden können. Sie hatte kaum etwas anderes zu tun, als in einem alten Buch Ädon zu lesen, dessen Illustrationen so verblasst waren, dass man die Tiere, die sich darin tummelten, nur noch in Umrissen erkannte, so als wären sie aus Kristall geschnitten.
    Von dem Augenblick an, als man sie in Streáwes Haus geschafft hatte, schmiedete Miriamel Pläne und dachte darüber nach, wie sie sich befreien könnte; aber so muffig und unbenutzt der

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