Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
komisch?«, fragte der Rimmersmann mit gerunzelter Stirn, während er seine Handaxt über einen kleinen Wetzstein führte. Er hielt sie in die Höhe, prüfte mit dem schwieligen Daumen die Klinge und legte sie dann wieder an den Stein.
»Eigentlich nichts. Ich habe nur gerade gedacht, wie töricht wir doch gewesen sind – wie ahnungslos.«
»Zeitverschwendung, solches Geflenne«, knurrte Einskaldir, den Blick unverwandt auf die Klinge geheftet, die er jetzt ins rote Licht des Feuers hob. »Kämpfen und leben, kämpfen und sterben – Gott wartet auf alle.«
»Das ist es nicht.« Deornoth hielt einen Moment inne und überlegte. Was als müßiger Einfall begonnen hatte, war zu etwas Größerem geworden; plötzlich bekam er Angst, es könne ihm entgleiten. »Wir sind geschoben worden und gezerrt«, sagte er zögernd, »getrieben und gezogen. Seit drei Tagen, seit wir aus Naglimund geflohen sind, jagt man uns, und es gibt kaum einen Augenblick ohne Furcht.«
»Was gibt es da zu fürchten?«, fragte Einskaldir rauh und zupfte sich am schwarzen Bart. »Wenn sie uns erwischen, töten sie uns. Es gibt Schlimmeres als den Tod.«
»Aber das ist es ja gerade!«, rief Deornoth. Sein Herz hämmerte. »Genau das ist es!« Er merkte, dass er die Stimme fast zum Aufschrei erhoben hatte und beugte sich vor. Einskaldir hatte aufgehört, die Klinge seines Beils zu schärfen, und glotzte ihn an. »Und das eben frage ich mich«, fuhr Deornoth ruhiger fort. »Warum haben sie uns nicht umgebracht?«
Einskaldir warf ihm einen Blick zu und brummte: »Sie haben es versucht.«
»Nein.« Deornoth war auf einmal seiner Sache sicher. »Die Gräber … die Bukken, wie dein Volk sie nennt … die haben es versucht. Die Nornen nicht.«
»Du bist verrückt, Erkynländer«, versetzte Einskaldir angewidert. Deornoth unterdrückte eine Antwort und kroch um die Feuergrube herum zu Josua.
»Ich muss mit Euch sprechen, mein Prinz.«
Josua, wieder in einer seiner Stimmungen und ganz weit weg, erwiderte nichts. Er saß da und starrte auf Strupp. Der alte Narr hatte den Rücken an einen Baum gelehnt und schlief. Sein kahler Kopf nickte auf der Brust. Deornoth konnte nichts besonders Interessantes daran feststellen und drängte sich deshalb zwischen den Prinzen und den schlafenden, alten Mann. Josuas Gesicht war kaum zu erkennen, doch ging von der Feuergrube immerhin so viel Glut aus, dass Deornoth zu sehen glaubte, wie Josuas Augenbrauen sich in mildem Erstaunen hoben.
»Nun, Deornoth?«
»Mein Prinz, Euer Volk braucht Euch. Warum seid Ihr so sonderbar?«
»Mein Volk ist sehr klein geworden, findet Ihr nicht?«
»Dennoch bleibt es Euer Volk – und es braucht Euch jetzt nötiger denn je, weil die Gefahr so groß ist.«
Deornoth hörte Josua Atem holen, als sei er überrascht oder im Begriff, eine zornige Antwort zu geben. Aber als der Prinz sprach, klang seine Stimme gelassen. »Wir leben in üblen Zeiten, Deornoth. Jeder wird damit fertig, so gut er kann. War es das, worüber du mit mir reden wolltest?«
»Nicht ganz, Herr.« Deornoth kroch ein wenig näher heran, bis ihn nur noch eine Armlänge von dem Prinzen trennte. »Was wollen die Nornen, Prinz Josua?«
Josua lachte kummervoll. »Ich möchte meinen, dass das klar genug ist. Uns töten.«
»Und warum haben sie es noch nicht getan?«
Einen Moment lang herrschte Stille. »Was willst du damit sagen?«
»Genau das, was ich Euch gefragt habe. Warum haben sie uns nicht getötet? Gelegenheit dazu hatten sie oft genug.«
»Wir fliehen vor ihnen – seitdem wir …«
Deornoth packte Josua impulsiv beim Arm. Der Prinz war erschreckend mager. »Glaubt Ihr denn, Herr, die Nornen – die Schergen des Sturmkönigs, sie, die Naglimund dem Erdboden gleichgemacht haben – könnten nicht auch ein Dutzend hungriger und verwundeter Männer und Frauen überwältigen?«
Er fühlte, wie Josuas Arm sich spannte. »Und das bedeutet?«
»Ich weiß es nicht!« Deornoth ließ den Prinzen los und nahm einen Stock vom Boden auf. Unruhig zupfte er mit den Fingernägeln an der Borke. »Aber ich kann nicht glauben, dass sie uns nicht hätten stellen können, wenn sie es gewollt hätten.«
»Usires am Baum!«, hauchte Josua. »Ich schäme mich, dass du die Verantwortung übernehmen musstest, die meine rechtmäßige Aufgabe ist, Deornoth. Du hast recht. Es liegt kein Sinn darin.«
»Vielleicht gibt es etwas Wichtigeres für sie als unseren Tod«, sagte Deornoth nachdenklich. »Wenn sie wollen, dass wir sterben
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