Der Abschiedsstein: Das Geheimnis Der Grossen Schwerter 2
Gäste einladen.«
Als Josua sich wieder hinsetzte, lächelte er sogar. Im Licht des Feuers blitzten flüchtig weiße Zähne.
»Ich habe beschlossen«, erklärte er, »die Einladung nicht anzunehmen.«
Ein paar Stunden vor Morgengrauen kam Vater Strangyeard zu Deornoth und klopfte ihm leicht auf die Schulter. Deornoth hatte den Archivar in der Dunkelheit herumtappen hören, aber die Hand auf der Schulter ließ ihn trotzdem jäh in die Höhe fahren.
»Ich bin’s nur, Herr Deornoth«, flüsterte Strangyeard hastig. »Ich bin mit der Wache an der Reihe.«
»Es ist nicht nötig. Ich glaube ohnehin nicht, dass ich schlafen werde.«
»Nun, dann können wir vielleicht … zusammen wachen. Wenn Euch mein Geschwätz nicht stört.«
Deornoth lächelte in sich hinein. »Ganz und gar nicht, Vater. Und Ihr braucht mich nicht ›Herr‹ zu nennen. Es ist schön, einmal eine ruhige Stunde zu haben – wir hatten in letzter Zeit äußerst selten Ruhe.«
»Wahrscheinlich ist es sogar besser, wenn ich nicht allein Wache stehen muss«, meinte Strangyeard. »Ich sehe nicht sehr gut, wisst Ihr – und das betrifft das einzige Auge, das ich noch habe.« Er lachte entschuldigend. »Es gibt nichts Erschreckenderes, als die Wörter in meinen geliebten Büchern Tag für Tag verblassen zu sehen.«
»Nichts Erschreckenderes?«, fragte Deornoth sanft.
»Nichts.« Strangyeard blieb fest. »Oh, nicht dass ich nicht auch vor anderen Dingen Angst hätte, aber der Tod, nur als Beispiel – nun, der Herr wird mich rufen, wenn er weiß, dass es an der Zeit ist. Aber meine letzten Jahre in Finsternis zuzubringen und die Schriften nicht lesen zu können, die auf dieser Erde der Zweck meines Lebens sind …« Der Archivar hielt verlegen inne. »Es tut mir leid, Deornoth, ich fasele von unwichtigen Dingen. Es liegt an dieser Nachtstunde. Zu Hause in Naglimund wache ich oft um dieselbe Zeit auf, kurz bevor die Sonne kommt …« Wieder stockte der Priester. Beide Männer dachten stumm an das Schicksal des Ortes, an dem sie gelebt hatten.
»Wenn wir in Sicherheit sind, Strangyeard«, begann Deornoth plötzlich, »und Ihr dann nicht lesen könnt, werde ich kommen und Euch vorlesen. Meine Augen sind nicht so schnell wie Euer Auge und mein Kopf ist es auch nicht, aber ich bin hartnäckig wie ein Pferd, das man nicht gefüttert hat. Mit einiger Übung werde ich auch besser. Ich lese Euch vor.«
Der Archivar seufzte und wurde dann still. »Das ist sehr freundlich von Euch«, meinte er nach kurzer Zeit. »Aber Ihr werdet Wichtigeres zu tun haben, wenn wir erst in Sicherheit sind und Josua auf dem hohen Thron von Osten Ard sitzt – weitaus wichtigere Dinge, als einem alten Bücherwurm vorzulesen.«
»Nein. Nein, das glaube ich nicht.«
Lange saßen sie da und lauschten dem Wind.
»Dann werden wir uns also heute … nach Osten halten?«
»Ja. Und ich denke, dass die Nornen über diesen Plan nicht erbaut sein werden. Ich fürchte, dass sie noch mehr von uns verwunden oder töten. Aber wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Prinz Josua, dem Guten Gott sei Dank, hat das begriffen.«
Strangyeard seufzte. »Wisst Ihr, ich habe nachgedacht. Es kommt mir wirklich … ganz albern vor, so etwas zu sagen, aber …« Er verstummte allmählich.
»Was?«
»Vielleicht ist es gar nicht Josua, den sie fangen wollen. Vielleicht … bin ich es.«
»Vater Strangyeard!« Deornoth war ganz überrascht. »Warum denn?«
Der Priester senkte beschämt den Kopf. »Ich weiß, dass es töricht klingt, aber ich muss es erwähnen. Seht Ihr, ich war es, der Morgenes’ Handschrift studiert hat, in der er von den Drei Großen Schwertern spricht – und ich bin es auch, der diese Handschrift jetzt bei sich trägt.« Er klopfte auf die Tasche seiner geräumigen Kutte. »Zusammen mit Jarnauga habe ich nach dem Verbleib des Schwertes Minneyar – Fingils Schwert – gesucht und geforscht. Jetzt, da er tot ist – nun ja, ich möchte gewiss nicht den Anschein erwecken, als wollte ich mich zu wichtig nehmen – aber …« Er hielt Deornoth einen kleinen, an einer Kette baumelnden Gegenstand hin, der im zunehmenden Licht schwach erkennbar war. »Jarnauga gab mir seine Schriftrolle, das Abzeichen des Bundes. Vielleicht macht mich das zu einer Gefahr für die anderen. Wenn ich mich auslieferte, würden sie den Rest vielleicht gehen lassen?«
Deornoth lachte. »Wenn Ihr es seid, den sie am Leben lassen wollen, ist es ein Glück für uns, Euch bei uns zu wissen, denn
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