Der Adler ist entkommen
wieder zu verriegeln«, rief der alte Mann zurück. »Damit sich niemand nach unten verirrt. Es ist nicht ganz ungefährlich.«
Devlin schob den Riegel kräftig vor, so daß sein metallisches Klicken laut durch die Kirche hallte. Dann zog er ihn leise wieder zurück. Es war ziemlich unwahrscheinlich, daß jemand den offenen Riegel in der dunklen Ecke bemerken würde. Er kehrte zu Father Martin zurück, und sie gingen durch den Mittelgang zur Tür. Als sie hindurchtraten, kam gerade Schwester Maria Palmer aus ihrem Büro.
»Ach, da sind Sie ja«, begrüßte sie Father Martin. »Ich hatte schon mal nachgeschaut, als wir hereinkamen, aber Sie waren nicht da. Ich habe Father Conlon -« Er lachte und korrigierte sich. »Ich fange noch einmal an. Ich habe Major Conlon die Kapelle gezeigt. Er begleitet mich auf meinem Rundgang.«
»Father ist mir ganz recht.« Devlin schüttelte ihre Hand. »Sehr angenehm, Schwester.«
»Major Conlon wurde in Sizilien verwundet.«
»Ich verstehe. Hat man Ihnen in London einen Posten angeboten?« fragte sie.
»Nein - ich habe noch Genesungsurlaub. Ich halte mich nur für ein paar Tage in dieser Gegend auf. Father Martin habe ich in seiner Kirche kennengelernt.«
»Er war so nett, mir seine Hilfe anzubieten. Er nimmt die Beichte ab und so weiter«, erzählte Father Martin.
»Schön, Sie können wirklich eine Pause vertragen. Wir machen den Rundgang gemeinsam.« Während sie die Treppe hinaufstiegen, meinte sie: »Übrigens, Lieutenant Benson hat drei Tage frei. Vertreten wird er durch den jungen Sergeant. Wie heißt er noch? Morgan, nicht wahr?«
»Der Waliser?« fragte Martin. »Ich habe gestern nach Steiner gesehen. Sie auch?«
»Nein, wir hatten einen Notfall, nachdem Sie gegangen waren, Father. Ich hatte keine Zeit. Ich begleite Sie zu ihm. Hoffentlich hat das Penicillin angeschlagen und die letzten Reste seiner Bronchialinfektion beseitigt.«
Sie eilte mit fliegenden Röcken vor ihnen die Treppe hinauf. Devlin und Father Martin folgten ihr.
Sie wanderten von Zimmer zu Zimmer, blieben hier und da etwas länger, um sich mit dem einen oder anderen Patienten ausführlicher zu unterhalten, und so dauerte es eine halbe Stunde, bis sie in die oberste Etage kamen. Der diensthabende Militärpolizist saß an seinem Tisch vor der äußeren Tür und salutierte automatisch, als er Devlin sah. Die Tür wurde von einem anderen MP geöffnet, und sie gingen hindurch.
Der junge Sergeant, der in Bensons Zimmer saß, erhob sich und kam nach draußen. »Guten Tag, Schwester - Father Martin.«
»Guten Morgen, Sergeant Morgan«, erwiderte Schwester Maria Palmer. »Wir möchten zu Colonel Steiner.«
Morgan betrachtete Devlins Uniform und seinen Priesterkragen. »Ich verstehe«, sagte er unsicher.
»Major Conlon begleitet uns«, informierte sie ihn.
Devlin holte seine Brieftasche heraus und zeigte den falschen
Ausweis des Kriegsministeriums vor, den ihm Schellenbergs Leute beschafft hatten und der ihm ungehinderten Zugang zu allen militärischen Einrichtungen gestattete. Der Ausweis machte die Runde.
»Ich denke, damit dürfte alles seine Ordnung haben, Sergeant.«
Morgan inspizierte das Dokument eingehend. »Ich trage die Daten nur eben ins Besucherprotokoll ein, Sir.« Dann gab er den Ausweis zurück. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Er ging voraus zum Ende des Korridors und befahl dem diensthabenden MP, die Tür zu öffnen. Schwester Maria Palmer trat zuerst ein, gefolgt von Father Martin und Liam Devlin, der als letzter hineinging. Die Tür schloß sich hinter ihnen.
Steiner, der am Fenster saß, stand auf, und Schwester Maria Palmer erkundigte sich: »Wie geht es Ihnen heute, Colonel?«
»Gut, Schwester.«
»Es tut mir leid, daß ich Sie gestern abend nicht mehr besuchen konnte. Wir hatten einen Notfall, doch Father Martin erzählte mir gerade, er sei noch bei Ihnen gewesen.«
»Wie immer.« Steiner nickte.
Der alte Priester stellte vor: »Das ist übrigens Major Conlon.
Wie Sie sehen, ist er Militärgeistlicher. Er ist auf Genesungsurlaub. Wie Sie wurde er vor kurzem verwundet.«
Devlin lächelte freundlich und streckte seine Hand aus. »Es ist mir ein großes Vergnügen, Sie kennenzulernen, Colonel.«
Kurt Steiner, der in diesem Moment eine der größten schauspielerischen Leistungen seines Lebens vollbrachte, schaffte es tatsächlich, sich nichts anmerken zu
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