Der Adler ist entkommen
Father Martin Wasser in einem elektrischen Kessel zum Kochen
brachte und Tee aufbrühte.
»Dann waren Sie also von Anfang an dabei?«
Devlin nickte. »Ja, ich wurde im November 1939 einberufen.«
»Wie ich sehe, haben Sie das MC.«
»Das bekam ich während der Landung auf Sizilien«, erklärte ihm Devlin.
»War es schlimm?« Father Martin schenkte Tee ein und reichte ihm eine Dose Kondensmilch.
»Ziemlich schlimm.« Der alte Mann trank von seinem Tee, und Devlin zündete sich eine Zigarette an. »Sicherlich genauso schlimm wie für Sie. Ich denke an die Luftangriffe. Sie wohnen ja sehr nahe bei den Londoner Docks.«
»Ja, es war manchmal schrecklich.« Father Martin nickte. »Und es wird nicht leichter. Ich bin zur Zeit ganz allein hier.«
Er wirkte plötzlich sehr zerbrechlich, und bei Devlin regte sich das schlechte Gewissen, doch nun gab es keinen Weg mehr zurück, das war ihm klar. »Ich war in einem Pub ganz in der Nähe, ich glaube, ›The Bargee‹ war sein Name, um Zigaretten zu holen. Dabei unterhielt ich mich mit einer jungen Frau, die viel Gutes über sie erzählt hat.«
»Ach, das war sicherlich Maggie Brown.«
»Sie sagte, Sie seien auch noch der Hausgeistliche eines Krankenhauses in der Nähe? Im St. Mary's Kloster?«
»Das stimmt.«
»Da haben Sie sicherlich mehr als genug zu tun, Father.«
»Das schon, aber einer muß es ja machen. Schließlich müssen wir alle unser Scherflein beitragen.« Der alte Mann schaute auf die Uhr. »Ich muß in ein paar Minuten los. Muß meine Runden machen.«
»Haben Sie dort viele Patienten zu betreuen?«
»Das ist unterschiedlich. Fünfzehn, manchmal zwanzig. Die
meisten sind hoffnungslose Fälle. Einige haben spezielle Probleme. Soldaten, die Nervenzusammenbrüche hatten. Gelegentlich Piloten. Sie wissen ja, wie das ist.«
»Das kann man wohl sagen«, meinte Devlin. »Als ich vorhin am Kloster vorbeiging, sah ich, wie einige Militärpolizisten hineingingen. Das kam mir etwas seltsam vor. Ich meine, Militärpolizei in einem Klosterkrankenhaus.«
»Nun ja, dafür gibt es einen Grund. Manchmal sind in der obersten Etage deutsche Kriegsgefangene untergebracht. Ich weiß nicht viel über sie, aber es sind gewöhnlich besondere Fälle.«
»Aha, dann leuchtet mir die Anwesenheit der MP ein. Liegt denn zur Zeit jemand dort?«
»Ja, ein Colonel der deutschen Luftwaffe. Ein netter Mann. Ich habe ihn sogar überreden können, nach Jahren wieder einmal an einer heiligen Messe teilzunehmen.«
»Das ist interessant.«
»Jetzt muß ich mich aber beeilen.« Der alte Mann nahm seinen Regenmantel von der Garderobe, und Devlin half ihm hinein. Während sie durch die Kirche gingen, meinte er zu seinem neuen Bekannten. »Ich habe eine Idee, Father. Sehen Sie, ich habe sehr viel Zeit, und Sie sind völlig allein. Vielleicht kann ich Ihnen ein wenig helfen? Wenigstens ein paar Patienten die Beichte abnehmen.«
»Das finde ich sehr nett von Ihnen«, sagte Father Martin.
Liam Devlin hatte sich in seinem Leben nur selten niederträchtiger gefühlt, aber er setzte seinen eingeschlagenen Kurs fort. »Und dann würde ich mir auch gerne ansehen, wie Sie die Kranken im Kloster betreuen.«
»Ich habe nichts dagegen«, sagte der alte Mann und ging die Treppe voraus zur Straße hinunter.
In der Kapelle des Klosters war es eisig kalt. Sie gingen bis zum Altar, und Devlin sog prüfend die Luft ein. »Es scheint hier sehr feucht zu sein. Ist das immer so?«
»Ja, die Krypta steht schon seit Jahren regelmäßig unter Wasser. Manchmal ist es besonders schlimm. Es ist kein Geld da, um Abhilfe zu schaffen.«
Devlin konnte in einer Ecke des Raums die stabile, mit Eisenbeschlägen versehene Eichentür im Schatten erkennen. »Ist das der Eingang zur Krypta?«
»Ja, aber der wird schon lange nicht mehr benutzt. Niemand steigt mehr hinunter.«
»Ich habe in Frankreich vor einiger Zeit eine Kirche besichtigt, die ein ähnliches Problem hatte. Darf ich mich mal umsehen?«
»Wenn Sie wollen.«
Die Tür war verriegelt. Er schob den Riegel zurück und stieg halb die Treppe hinunter. Als er sein Feuerzeug aufschnippen ließ, sah er das Wasser durch das Gitter schwappen und zwischen den Gräbern spielen. Er ging wieder nach oben und schloß die Tür.
»Schlimm, aber da kann man wohl nicht allzuviel tun«, rief er.
»Da haben Sie recht. Vergessen Sie nicht, die Tür
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