Der Adler ist entkommen
bezahlte Schuld von einem Händler in Brixton bekommen. Die Wagenpapiere sind eine plumpe Fälschung, und mit den Nummernschildern ist es nicht anders. Keine Chance, daß dieser Wagen zu mir zurückverfolgt werden kann. Außerdem ist er prima in Schuß. Du kennst mich ja und weißt, daß Motoren mein Hobby sind.«
»Na schön, dafür bekommst du ein paar Pfund extra«, sagte Devlin und stand auf. »Ich sehe jetzt erst einmal zu, daß ich mit deiner Nichte wieder Frieden schließe.«
Sie saß im Boot unter dem Dach und las, als er zu ihr herunterkam.
»Was ist es diesmal?« fragte er.
»The Midnight Court«, antwortete sie widerstrebend.
»Auf englisch oder auf irisch?« fragte er weiter.
»Ich habe die irische Ausgabe nicht.«
»Das ist äußerst schade. Ich konnte früher ganze Stellen auf Irisch aufsagen. Mein Onkel schenkte mir eine Bibel als Belohnung. Er war Priester.«
»Es würde mich nur interessieren, was er von dem hielte, was Sie heute abend vorhaben«, sagte sie.
»Das weiß ich ganz genau«, verriet ihr Devlin. »Er würde mir verzeihen.« Damit ging er wieder nach oben zum Haus.
Devlin saß in Uniform im Beichtstuhl, trug nur die violette Stola um den Hals und hörte sich geduldig die Beichten von vier Nonnen und zwei männlichen Patienten an. Es war nichts Schlimmes, was er zu hören bekam. Vorwiegend läßliche Sünden oder derart harmlose Vergehen, daß sie kaum der Erwähnung wert waren, und doch belasteten sie die Menschen, die auf der anderen Seite des Gitters saßen und sich ihm offenbarten. Er bemühte sich aufrichtig, seine Rolle überzeugend zu spielen, die richtigen Dinge zu sagen, aber es kostete ihn große Mühe. Sein letzter Besucher verließ den Beichtstuhl. Er saß da, lauschte in die Stille, und dann hörte er, wie sich die Kapellentür öffnete und Armeestiefel näher kamen.
Die Tür des Beichtstuhls öffnete und schloß sich. Aus der Dunkelheit ertönte die Stimme Steiners: »Vergeben Sie mir,
Father, denn ich habe gesündigt.«
»Nicht halb so viel wie ich, Oberst.« Devlin knipste die Beleuchtung an und blickte lächelnd durch das Gitter.
»Mr. Devlin«, wunderte sich Steiner. »Was ist mit Ihnen passiert?«
»Ein paar kleine Veränderungen, um die Meute von meiner Fährte abzubringen.« Devlin fuhr sich mit der Hand durch die grauen Haare. »Und wie geht es Ihnen?«
»Das ist unwichtig. Die Engländer haben gehofft, daß Sie irgendwann auftauchen. Ich hatte Besuch von einem Brigadier Munro vom Special Operations Executive. Er erzählte mir, daß man dafür gesorgt habe, daß mein Aufenthaltsort in Berlin bekannt würde. Die Information lief über einen Mann in der Spanischen Botschaft namens Vargas. Er arbeitet für die Engländer.«
»Ich wußte es«, zischte Devlin. »Dieses Schwein.«
»Sie haben mir zwei Dinge verraten. Daß General Walter Schellenberg das Unternehmen zu meiner Flucht leitet und daß sie davon ausgehen, daß er Sie einsetzt. Sie warten schon auf Sie. Hoffen, daß Sie jeden Augenblick auftauchen.«
»Schon, aber Sie haben mich unterschätzt. Ich habe so etwas geahnt und dafür gesorgt, daß alles nach ihren Wünschen läuft. Vargas bekommt noch immer Nachrichten von uns, in denen um weitere Informationen gebeten wird. Sie denken, daß ich noch immer in Berlin bin.«
»Mein Gott!« stieß Steiner hervor.
»Wie viele MPs begleiten Sie normalerweise, wenn Sie zur Beichte kommen?«
»Zwei. Gewöhnlich ist Lieutenant Benson dabei, doch er hat Urlaub.«
»Schön. Ich hole Sie im Laufe der nächsten zwei oder drei Tage raus. Wir verschwinden durch die Krypta. Das Ganze ist gut durchorganisiert. Auf dem Fluß wartet ein Boot. Danach folgt eine etwa zweistündige Fahrt zu einem Ort, wo uns ein Flugzeug aus Frankreich aufnimmt.«
»Ich verstehe. Alles ist bis ins kleinste vorbereitet, genau wie damals Operation Adler. Sie werden sich vielleicht erinnern, wie das Unternehmen ausgegangen ist.«
»Aber diesmal führe ich das Kommando.« Devlin lächelte. »An dem Abend, an dem wir fliehen, kommen Sie wieder zur Beichte. Um die gleiche Zeit.«
»Woher weiß ich, wann es losgeht?«
»Sie können doch von Ihrem Fenster auf die Treppe und den
schmalen Uferstreifen an der Themse hinunterschauen.«
»Ja.«
»An dem Tag, an dem wir verschwinden wollen, steht unten an der Mauer auf der Treppe eine junge Frau. Sie trägt einen schwarzen Hut
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