Der Adler ist gelandet
ausgeschlüpft waren.« »Ich weiß«, erwiderte Devlin. »Ist für mich selbst kein Zuckerlecken, aber, um bei der Sache zu bleiben, ohne das Funkgerät kann ich König nicht anpeilen.«
»Und Sie glauben nicht, daß er auch ohne Signal nach Hobs End kommt?«
»So lautet die Abmachung. Zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen neun und zehn, je nach Befehl. Und noch etwas. Was immer Joanna Grey zugestoßen sein mag, sie dürfte höchstwahrscheinlich noch einen Funkspruch nach Landsvoort auf den Weg gebracht haben. Wenn Radl ihn an König weitergegeben hat, dann könnten er und seine Jungens jetzt bereits auf der Rückfahrt sein.«
»Nein«, sagte Steiner, »König wird kommen. Auch wenn er kein Funksignal von Ihnen erhält, wird er an diesen Strand kommen.« »Warum sollte er das?«
»Weil er es mir versichert hat«, erwiderte Steiner schlicht.
»Sie sehen also, es geht vielleicht auch ohne das Funkgerät. Sogar wenn die Rangers die ganze Gegend durchkämmen sollten, würden sie den Strand doch links liegenlassen, weil überall Minenwarnschilder stehen. Wenn Sie rechtzeitig hinkommen, können Sie beim derzeitigen Stand der Flut mindestens einen halben Kilometer in die Bucht hinausmarschieren.« »Mit Neumann, in seinem Zustand?«
»Er braucht nur einen Stock und eine Schulter, auf die er sich stützen kann. In Rußland ist er einmal mit einer Kugel im rechten Fuß in drei Tagen hundert Kilometer durch den Schnee marschiert. Wenn einer weiß, daß Zurückbleiben den Tod bedeutet, dann konzentrieren sich alle seine Kräfte in unglaublichem Maß aufs Weitergehen. Sie haben noch reichlich Zeit. Gehen Sie König ein Stück entgegen.«
»Und Sie kommen nicht mit uns.« Es war eine Feststellung, keine Frage. »Ich glaube, Sie wissen, wohin ich gehen muß, mein Freund.« Devlin seufzte. »Me in Wahlspruch war immer: Wenn einer unbedingt zum Teufel gehen will, dann laß ihn gehen. Aber in Ihrem Fall möchte ich eine Ausnahme machen. Sie haben keine Chance, an den Alten ranzukommen. Um ihn werden mehr Wachen herumschwirren als Fliegen um einen Marmeladentopf an einem heißen Sommertag.« »Versuchen muß ich es trotzdem.«
»Warum? Weil Sie glauben, Sie könnten damit etwas für Ihren Vater tun? Machen Sie sich keine Illusionen. Sehen Sie den Dingen ins Gesicht. Was immer Sie tun, hilft ihm gar nichts, wenn's der alte Bock in der Prinz-Albrecht-Straße anders geplant hat.«
»Ja, da haben Sie vermutlich recht. Ich glaube, ich wußte es von Anfang an.«
»Warum also?«
»Weil ich einfach nicht anders kann.« »Das verstehe ich nicht.«
»Das verstehen Sie sehr gut, glaube ich. Sie spielen doch auch ein Spiel. Es schmettern die Trompeten, die Fahne flattert stolz im grauen Morgenlicht. Hoch die Republik. Denkt an Ostern 1916. Aber sagen Sie mir eins, mein Freund. Lenken Sie letzten Endes das Spiel, oder werden Sie vom Spiel mitgerissen? Können Sie Schluß machen, wenn Sie wollen, oder muß es ewig weitergehen? Mit Thompson-MGs und ›mein Leben für Irland‹, bis sie eines schönen Tages mit einer Kugel im Rücken im Rinnstein liegen?«
Devlin sagte heiser: »Ich weiß es nicht.«
»Aber ich weiß es, mein Freund. Und jetzt sollten wir wohl wieder zu den anderen. Natürlich dürfen Sie nichts von meinen Plänen verlauten lassen. Neumann könnte sonst Geschichten machen.« »All right«, sagte Devlin widerstrebend.
Sie pirschten sich durch die Nacht zurück zu der baufälligen Hütte, wo Molly Neumann gerade einen frischen Verband anlegte. »Na, wie geht's?« fragte Steiner ihn.
»Prächtig«, antwortete Neumann, aber als Steiner ihm eine Hand auf die Stirn legte, war sie schweißnaß.
Molly ging hinüber zu Devlin, der in einer Mauerecke vor dem Regen Schutz gesucht hatte und eine Zigarette rauchte. »Es geht ihm gar nicht gut«, flüsterte sie. »Braucht dringend einen Arzt, wenn du mich fragst.« »Genausogut könntest du gleich den Leichenbestatter holen«, sagte Devlin. »Aber sorg' dich nicht um ihn. Ich mache mir jetzt nur um dich Sorgen. Deine heutige Abendbeschäftigung könnte dich in ernste Schwierigkeiten bringen.« Sie war seltsam gleichgültig. »Niemand hat mich aus der Kirche kommen sehen, niemand kann mir etwas beweisen. Für sie habe ich die ganze Zeit auf der Heide im Regen gesessen und mir die Augen ausgeweint, weil ich die Wahrheit über meinen Liebsten erfuhr.« »Um Gottes willen, Molly.«
»Die dumme kleine Gans, werden sie sagen. Hat sich die Finger verbrannt und geschieht ihr auch ganz
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