Der Adler ist gelandet
Dienstrang habe ich nur dank der besonderen Umstände dieses speziellen Einsatzes behalten.« Er fischte ein zerknittertes Päckchen französischer Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine zwischen die Lippen. »Und überhaupt, ich kann Adolf nicht leiden. Er schreit zu laut und riecht aus dem Mund.« Radl ignorierte diese Bemerkung mühsam. »Wir müssen kämpfen. Wir haben keine Wahl.« »Bis zum letzten Mann?« »Was bleibt uns anderes übrig?« »Ja, ja, der Endsieg und so weiter...«
Radls gesunde Hand war zur Faust geballt, jeder Nerv zum Zerreißen gespannt. »Wir können sie zu einer Kursänderung zwingen, sie zu der Einsieht bringen, daß jede Art einer friedlichen Regelung besser ist, als dieses unaufhörliche Gemetzel.«
»Und Churchill abmurksen wäre das rechte Mittel?« fragte Steiner mit unverhüllter Skepsis.
»Es würde ihnen jedenfalls zeigen, daß wir nach wie vor Zähne haben. Denken Sie nur an das Aufsehen, als Skorzeny Mussolini vom Gran Sasso herunterholte. Eine Weltsensation.«
Steiner sagte: »Soviel ich hörte, waren daran auch General Student und ein paar Fallschirmjäger beteiligt.«
»Herrgott noch mal«, sagte Radl ungeduldig. »Stellen Sie sich doch vor, wie das einschlagen würde. Allein schon, daß deutsche Soldaten in England abspringen, und dann noch mit einem solchen Ziel. Aber Sie halten es wohl überhaupt für unmöglich...«
»Wieso? Es spricht nichts dagegen«, sagte Steiner ruhig. »Wenn diese Unterlagen hier korrekt sind und wenn Sie Ihre Hausaufgaben brav gemacht haben, dann könnte das Ganze funktionieren wie eine Schweizer Uhr. Wir könnten die Tommys wirklich mit runtergelassenen Hosen überraschen. Rein und wieder raus, ehe sie kapieren, wie's passiert ist. Aber das ist nicht der springende Punkt.«
»Was dann?« fragte Radl äußerst gereizt. »Daß Sie uns eine Abfuhr erteilen, weil Sie vom Kriegsgericht verurteilt wurden? Weil Sie hier sind? Steiner, Sie und Ihre Leute sind hier in kürzester Zeit tote Männer. Vor acht Wochen noch einunddreißig. Wie viele sind's noch? Fünfzehn? Sie sind es Ihren Leuten schuldig, Sie sind es sich selbst schuldig, diese letzte Chance zu nutzen.«
»Um statt dessen in England zu sterben?«
Radl zuckte die Achseln. »Zack, rein... zack, raus, genauso könnte es funktionieren. Wie eine Schweizer Uhr, haben Sie doch eben selbst gesagt.«
»Wobei diese Dinger nur eine dumme Eigenschaft haben: Wenn mit dem winzigsten Rädchen was nicht in Ordnung ist, bleibt das ganze verdammte Uhrwerk stehen«, warf Devlin ein.
Steiner sagte: »Sehr gut, Mr. Devlin. Sagen Sie mir eins: Warum machen Sie mit?«
»Ganz einfach«, sagte Devlin. »Weil's gemacht wird. Ich bin der letzte große Abenteurer.«
»Ausgezeichnet.« Steiner lachte amüsiert. »Das lasse ich gelten. Das Spiel spielen, das größte aller Spiele. Aber auch das ändert nichts«, fuhr er fort. »Oberst Radl sagt, ich schulde es meinen Leuten, mitzutun, weil es die einzige Rettung vor dem sicheren Tod hier draußen sei. Aber, um ganz ehrlich zu sein, ich glaube nicht, daß ich irgend jemandem irgend etwas schulde.« »Auch nicht Ihrem Vater?« sagte Radl.
Es wurde so still, daß man die ruhige See über die Felsen spielen hörte. Steiners Gesicht wurde blaß, die Haut spannte sich straff über den Wangenknochen, die Augen flammten. »Was soll das heißen? Raus mit der Sprache!«
»Die Gestapo hat ihn in der Prinz-Albrecht-Straße. Verdacht auf Hochverrat.«
Und Steiner, der an die Woche dachte, die er 1942 im Hauptquartier seines Vaters in Frankreich verbracht hatte, und an das, was der alte Herr ihm damals gesagt hatte, wußte sofort, daß es wahr war. »Ah, jetzt verstehe ich«, sagte er leise. »Wenn ich ein braver Junge bin und alles tue, was man mir sagt, dann kommt er vielleicht mit einem blauen Auge davon.« Plötzlich veränderten sich seine Züge erschreckend, wurden mörderisch, und wie in Zeitlupe streckte er den Arm nach Radl aus. »Sie Schwein. Ihr seid Schweine, alle miteinander.« Er packte Radl an der Kehle. Devlin sprang dazwischen, er mußte seine ganze nicht geringe Kraft einsetzen, um Steiner wegzuzerren. »Nicht ihn, Sie Idiot. Er wird genauso getreten wie Sie. Wenn Sie unbedingt jemanden an den Kragen wollen, dann halten Sie sich an Himmler. Er hat die Fäden in der Hand.«
Radl lehnte keuchend an der Hafenmauer, er sah sehr krank aus. »Tut mir leid«, sagte Steiner und legte ihm mit aufrichtigem Bedauern eine Hand auf die Schulter. »Ich
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