Der Adler ist gelandet
der nächsten Nacht wieder abgeholt.«
»Und wenn nicht?« sagte Neumann.
»Dann sind wir natürlich tot, also kann's uns egal sein.« Er blickte in die Runde. »Sonst noch etwas?«
»Dürfen wir den Zweck des Einsatzes erfahren, Herr Oberstleutnant?« fragte Altmann.
»Eine ähnliche Masche, wie sie Skorzeny und die Jungens vom Fallschirmjäger-Lehrbataillon auf dem Gran Sasso abgezogen haben. Mehr kann ich nicht sagen.«
»Also, mir genügt's«, sagte Brandt und sah sich um. »Wenn wir gehen, sterben wir vielleicht, wenn wir hierbleiben, sterben wir mit Sicherheit. Wenn Sie gehen, dann gehen wir auch.« »Bin dabei«, echote Leutnant Neumann und stand stramm. Die übrigen Männer taten es ihm nach. Steiner stand eine ganze Weile stumm da, als horchte er in sich hinein, dann nickte er. »Das war's also. Hat da vorhin nicht jemand was von White Horse Whisky gesagt?« Alle strömten zur Bar, und Altmann setzte sich ans Klavier und spielte ›Denn wir fahren gegen Engelland‹. Einer warf die Mütze nach ihm und Sturm rief: »Hör doch auf mit dem Scheißdreck. Wir wollen was Anständiges hören.«
Die Tür ging auf, und Ilse Neuhoff erschien. »Darf ich wieder reinkommen?«
Sie wurde mit Freudengebrüll begrüßt. Im nächsten Moment hatten die Männer sie auf einen Barhocker gehievt. »Ein Lied!« riefen sie im Chor. »Gern«, sagte sie und lachte. »Was darf's denn sein?« Steiners Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Alles ist verrückt.«
Es wurde plötzlich still. Ilse Neuhoff blickte mit bleichem Gesicht auf ihn herab. »Wirklich?«
»Höchst sinnig«, sagte er. »Glauben Sie mir.«
Hans Altmann legte sich mit voller Kraft in die Tasten, und Ilse Neuhoff schritt, Hände auf den Hüften, langsam auf und ab, während sie das seltsame, melancholische Lied sang, das jeder von ihnen aus dem Winterkrieg kannte. Sie hatte jetzt Tränen in den Augen. Sie breitete die Arme weit aus, als wollte sie alle an sich ziehen, und plötzlich sangen alle mit, tief und langsam.
Devlin starrte entgeistert von einem Gesicht zum anderen, dann machte er kehrt, riß die Tür auf und stolperte hinaus. »Bin ich verrückt, oder sind sie's?« flüsterte er.
Wegen der Verdunkelung lag die Terrasse im Finstern, aber Radl und Steiner gingen trotzdem nach dem Abendessen hinaus, um eine Zigarre zu rauchen - genau gesagt, um allein zu sein. Durch die dicken Vorhänge an den Fenstern hörten sie Liam Devlins Stimme und das Lachen Ilse Neuhoffs und ihres Mannes. »Ein äußerst charmanter Mann«, sagte Steiner.
Radl nickte. »Er hat noch weitere Vorzüge. Noch eine Anzahl mehr Männer seines Schlags, und die Briten hätten sich schon vor Jahren liebend gern aus Irland verzogen. Ihre Besprechung unter vier Augen heute nachmittag verlief hoffentlich zur beiderseitigen Zufriedenheit?« »Ich glaube, man kann sagen, wir verstehen uns«, sagte Steiner, »und wir haben die Karte sehr eingehend miteinander studiert. Es wird bestimmt eine große Hilfe sein, wenn er schon als Vorhut hinübergeht.« »Sonst noch etwas, was ich wissen sollte?«
»Ja, der junge Werner Briegel war früher schon mal in dieser Gegend.« »Briegel?« sagte Radl. »Wer ist das?«
»Gefreiter. Einundzwanzig. Seit drei Jahren Soldat. Kommt aus einer Stadt namens Barth an der Ostsee. Er sagt, ein Teil der dortigen Küste ist ganz ähnlich der in Norfolk. Endlose einsame Strände, Sanddünen und eine Menge Vögel.« »Vögel?« sagte Radl.
Steiner lächelte im Dunkeln. »Sie müssen wissen, daß Werner Briegel ein Vogelnarr ist. Deshalb ist er übrigens 1937 mit seinem Vater nach Norfolk gereist. Wegen der Vögel. Die Küste dort scheint ein berühmtes Vogelparadies zu sein.«
»Nun ja«, sagte Radl. »Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Und wie steht es mit den Englischkenntnissen? Haben Sie ein paar Leute gefunden?« »Leutnant Neumann, Unteroffizier Altmann und der junge Briegel sprechen gut Englisch, natürlich mit Akzent. Als Einheimische kann man sie nicht ausgeben. Brandt und Klugl radebrechen nur. Eben das Nötigste. Brandt war übrigens als Junge Leichtmatrose auf einem Frachter. Hamburg-Hull.«
Radl nickte. »Könnte schlimmer sein. Sagen Sie, hat Oberst Neuhoff Ihnen irgendwelche Fragen gestellt?« »Nein, aber er ist sichtlich sehr neugierig.«
»Gut«, sagte Radl. »Sie bleiben jetzt hier und warten. Sie bekommen Marschbefehl in einer Woche oder zehn Tagen, je nachdem wie schnell ich eine passende Operationsbasis in Holland ausfindig machen kann.
Weitere Kostenlose Bücher