Der Adler ist gelandet
Devlin wird, wie Sie wissen, wahrscheinlich in einer Woche hinübergehen. Und wir gehen jetzt wohl besser wieder hinein.« Steiner legte ihm die Hand auf den Arm. »Und mein Vater?« »Es wäre nicht anständig, wenn ich Ihnen weismachen wollte, daß ich in der Sache auch nur den geringsten Einfluß hätte. Himmler ist der allein Verantwortliche. Ich kann nur eins tun, und das tue ich bestimmt, nämlich ihn auf Ihre große Einsatzbereitschaft hinweisen.« »Und Sie glauben wirklich, das wird etwas helfen?« »Sie etwa?« fragte Radl zurück. Steiner lachte bitter. »Er hat kein Ehrgefühl.«
Der Ausdruck wirkte seltsam altmodisch, und Radl war erstaunt. »Und Sie?« fragte er. »Haben Sie Ehrgefühl?«
»Vielleicht nicht. Vielleicht ist das Wort zu hochtrabend für das, was ich meine. Ganz einfache Dinge, wie sein Wort geben und es auch halten, für seine Freunde einstehen, was immer kommen mag. Ergibt die Summe dieser Dinge den Begriff Ehre?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Radl. »Mit Sicherheit kann ich Ihnen nur sagen, daß Sie zu gut sind für die Welt des Reichsführers.« Er legte Steiner die Hand auf die Schulter. »Und jetzt müssen wir wirklich wieder hineingehen.«
Ilse, Oberst Neuhoff und Devlin saßen um ein kleines rundes Tischchen am Feuer, und Ilse legte aus einem Päckchen Tarockkarten einen »keltischen Zirkel«.
»Los, zaubern Sie mir was vor.«
»Sie meinen, Sie glauben nicht daran, Mr. Devlin?« fragte ihn Ilse. »Als treuer Sohn der katholischen Kirche? Als schönste Frucht jesuitischer Erziehungsarbeit, Frau Neuhoff?« Er grinste. »Was meinen Sie denn?«
»Daß Sie ein durch und durch abergläubischer Mensch sind, Mr. Devlin.« Sein Grinsen wurde ein wenig schief. »Wissen Sie«, fuhr sie fort, »ich habe das, was man ein Gespür nennt. Die Karten sind unwichtig. Sie dienen nur als Werkzeug.« »Also bitte.«
»Wie Sie wollen. Ihre Zukunft auf einer Karte, Mr. Devlin. Der siebenten, die ich aufschlage.«
Sie zählte rasch die Karten ab und drehte die siebente um. Ein Skelett mit einer Sense war darauf, und die Karte stand auf dem Kopf. »Ist das nicht Freund Hein?« bemerkte Devlin. Es sollte sorglos klingen, tat es aber nicht.
»Ja, der Tod«, sagte sie. »Aber wenn er auf dem Kopf steht, bedeutet die Karte nicht das, was Sie glauben.« Sie starrte die Karte eine volle Minute lang an und sagte dann sehr schnell: »Sie werden sehr lange leben, Mr. Devlin. Sie treten bald in eine längere Periode der Untätigkeit ein, später, gegen Ende Ihres Lebens, Revolution, vielleicht gewaltsamer Tod.« Sie blickte gelassen auf. »Zufrieden?«
»Besonders mit dem langen Leben«, sagte Devlin vergnügt. »Im übrigen werde ich mich auf mein Glück verlassen.« »Darf ich mich auch beteiligen, Frau Neuhoff?« fragte Radl. »Wenn Sie wollen.«
Sie zählte die Karten aus. Dieses Mal war die siebente Karte »Der Stern«, und wiederum auf dem Kopf. Sie blickte lange darauf. »Mit Ihrer Gesundheit steht es nicht zum besten, Herr Oberst.« »Das stimmt«, sagte Radl.
Sie blickte auf und sagte nur: »Sie wissen, was hier liegt?« »Danke, ich glaube schon«, sagte er und lächelte ruhig. Eine leicht unbehagliche Stimmung wollte sich ausbreiten, als wäre ein kalter Luftzug durch den Raum gefegt, und Steiner sagte: »Na, und was ist mit mir?« Sie griff nach den Karten und wollte sie einsammeln. »Nein, nicht jetzt, Kurt. Ich glaube, für heute abend reicht's.«
»Unsinn«, erwiderte er. »Ich bestehe darauf.« Er nahm die Karten auf.
»Hier, ich reiche Ihnen das Päckchen mit der linken Hand, so stimmt's doch?«
Sehr zögernd nahm sie das Päckchen, blickte ihn nochmals in stummem Flehen an und begann dann zu zählen. Sie drehte die siebente Karte rasch um, nur lange genug, um selbst einen Blick darauf zu werfen, und legte sie wieder auf das Päckchen. »Sie scheinen Glück zu haben mit den Karten, Kurt. Sie haben die Kraft gezogen. Großes Glück, Sieg über Ihre Feinde, ein überraschender Erfolg.« Sie lächelte strahlend. »Und jetzt müssen die Herren mich entschuldigen. Ich hole uns Kaffee.« Und sie ging aus dem Zimmer.
Steiner griff nach der obersten Karte und drehte sie um. Es war »Der Gehenkte«. Er seufzte tief. »Frauen«, sagte er, »können manchmal schrecklich dumm sein. Nicht wahr, meine Herren?«
Am nächsten Morgen herrschte Nebel. Neuhoff hatte Radl kurz nach Tagesanbruch geweckt und brachte ihm beim Kaffee die schlechte Nachricht bei.
»Immer wieder der alte Jammer hier«,
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