Der Adler ist gelandet
Adler des Fallschirmspringerabzeichens. Das Ritterkreuz mit Eichenlaub war unter einem lose geschlungenen Seidenschal verborgen. »Ehrlich gesagt, Oberstleutnant Steiner, es hat mir Spaß gemacht, Ihren Rabauken da die Leviten zu lesen.«
Ilse Neuhoff lachte. »Eine großartige Leistung, Herr Oberst, wenn ich so sagen darf.«
Steiner besorgte die Vorstellungen, und Radl küßte ihr die Hand. »Sehr angenehm, gnädige Frau.« Er überlegte. »Haben wir uns nicht schon irgendwo getroffen?«
»Ganz bestimmt«, sagte Steiner und zog Walther Neumann näher, der in seinem Kampfschwimmeranzug im Hintergrund gelauert hatte. »Und das hier, Herr Oberst, ist nicht, wie Sie vielleicht vermuten, ein gefangener Seehund, sondern Leutnant Neumann.«
Radl blickte Walther Neumann kurz an und dachte an den
Vorschlag zum Ritterkreuz, der wegen der Kriegsgerichtsverhandlung zurückgenommen worden war. Er fragte sich, ob Neumann wohl davon wisse. »Und dieser Herr?« Steiner drehte sich zu Devlin um, der vom Barhocker sprang und näher trat.
»Es scheint, daß jeder hier denkt, ich sei der böse Mann von der Gestapo«, sagte Devlin. »Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment auffassen soll.« Er streckte die Hand aus. »Devlin, Herr Oberstleutnant. Liam Devlin.« »Herr Devlin ist einer meiner Mitarbeiter«, erklärte Radl schnell. »Und Sie?« sagte Steiner höflich.
»Von der Abwehr. Und jetzt würde ich gern, wenn es Ihnen recht ist, eine ebenso dringende wie wichtige Angelegenheit mit Ihnen unter vier Augen besprechen.«
Steiners Miene verdüsterte sich, und wieder wurde es totenstill im Raum. Er wandte sich an Ilse Neuhoff: »Leutnant Neumann bringt Sie zurück.« »Nein, ich möchte lieber warten, bis Ihre Besprechung mit Oberst Radl beendet ist.« Sie war zutiefst beunruhigt, man sah es ihr an den Augen an. Steiner sagte sanft: »Ich glaube nicht, daß es sehr lange dauern wird. Leisten Sie der gnädigen Frau Gesellschaft, Neumann.« Er drehte sich wieder zu Radl um: »Bitte, Herr Oberst.« Radl nickte Devlin zu, und beide gingen hinter Steiner hinaus. »So, rührt euch«, sagte Neumann. »Ihr Blödmänner.« Die Spannung löste sich. Altmann setzte sich ans Klavier und intonierte eines der beliebten Durchhaltelieder. »Frau Neuhoff«, rief er. »Wie wär's mit einem Lied?«
Ilse Neuhoff setzte sich auf einen Barhocker. »Ich bin nicht in Stimmung«, sagte sie. »Soll ich euch mal was sagen, Jungens? Mir hängt dieser verdammte Krieg zum Hals raus. Ich möchte bloß noch eine anständige Zigarette und was zu trinken, aber das würde vermutlich an ein Wunder grenzen, wie?«
»Ach, ich weiß nicht, Frau Neuhoff.« Brandt flankte gekonnt über die Theke und machte Front zu ihr. »Für Sie ist alles möglich. Zigaretten zum Beispiel, Londoner Gin.«
Seine Hände griffen unter die Theke und kamen mit einem Karton Gold Flakes und einer Flasche Beefeater wieder zum Vorschein.
»Aber jetzt singen Sie für uns, Frau Neuhoff«, rief Hans Altmann.
Devlin und Radl lehnten an der Brustwehr und blickten hinunter ins Wasser, das klar und tief im blassen Sonnenlicht lag. Steiner saß auf einem der Poller am Ende des Hafendamms und studierte den Inhalt von Radls Aktentasche. Jenseits der Bucht ragte Fort Albert am Kap auf, und die Klippen darunter waren grauweiß von Vogeldung. Seevögel kreisten in Schwärmen, Möwen, Kormorane, Seeschwalben und Austernfischer. Steiner rief: »Herr Oberst!«
Radl ging zu ihm, und Devlin folgte, blieb jedoch ein paar Meter zurück und lehnte sich an die Mauer. Radl sagte: »Sind Sie durch?« »O ja.« Steiner steckte die verschiedenen Papiere wieder in die Aktentasche. »Ich darf annehmen, daß Sie es ernst meinen?« »Selbstverständlich.«
Steiner streckte den Arm aus und tippte mit dem Zeigefinger auf Radls »Gefrierfleischorden«. »Dann kann ich nur sagen, daß Sie sich dort drüben das Hirn erfroren haben, Herr Oberst.«
Radl zog den Umschlag aus seiner Brusttasche. »Vielleicht sollten Sie sich das erst mal ansehen.«
Steiner las, ohne sich im geringsten beeindruckt zu zeigen, und reichte das Schreiben achselzuckend zurück. »Na und?«
»Aber, Oberstleutnant Steiner«, sagte Radl. »Sie sind deutscher Soldat. Wir haben den gleichen Eid geleistet. Das hier ist ein direkter Befehl vom Führer.«
»Sie scheinen nur eine höchst wichtige Kleinigkeit vergessen zu haben«, erwiderte Steiner. »Ich bin in einer Strafeinheit, die Vollstreckung des Todesurteils ist nur aufgeschoben. Meinen
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